Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
halblauter Stimme fügte Tobias hinzu: »Um die Wahrheit zu sagen, Sir, Sie könnten einem Magistratsbeamten oder seinem Gehilfen unter der Hand ein paar Shillinge bezahlen und diese Personalien bekommen. Wenn Sie einmal die Nummer von jemandem haben, ist der Rest ziemlich einfach. So ist es ein üblicher Kniff der Locher, die maschinengespeicherten Akten über Angehörige der Unterwelt zu lesen – direkt von den Lochkarten. Sie nennen es ›seinen Faden ziehen‹ oder ›einen Kuchen anschneiden‹.«
Mallory fand diese Auskunft bemerkenswert. »Angenommen, ich fragte nach meiner eigenen Akte?«
»Nun, Sir, Sie sind ein feiner Herr, kein Verbrecher. Sie sind nicht in den gewöhnlichen Polizeiakten. Ihr Magistratsbeamter würde ein Formular ausfüllen und gute Gründe für die Suche angeben müssen. Solche Anfragen werden meistens abschlägig beschieden.«
»Wegen gesetzlicher Bestimmungen, wie?«, fragte Mallory.
»Nein, Sir, wir sind nicht durch Gesetze gehindert, persönliche Daten und dergleichen preiszugeben, sondern durch die damit verbundenen Schwierigkeiten. Eine Suche kostet Maschinenzeit und Geld, und in beidem sind wir immer knapp. Aber wenn ein Parlamentsmitglied mit einer Anfrage an uns herantritt, oder eine Lordschaft …«
»Angenommen, ich hätte einen guten Freund hier im Amt«, sagte Mallory. »Jemand, der mich wegen meiner großzügigen Art bewundert …«
Tobias reagierte zurückhaltend, wenn nicht gar ein wenig spröde. »Es ist keine einfache Sache, Sir. Jeder Durchlauf wird registriert, und jede Anfrage muss einen Bürgen haben. Was wir heute taten, geschieht in Mr. Wakefields Namen, also wird es dabei keine Schwierigkeiten geben. Aber Ihr Freund würde den Namen eines Bürgen fälschen und Gefahr laufen, wegen dieses Betrugs belangt zu werden. Es ist Betrug und wird genauso bestraft, wenn es ans Licht kommt.«
»Sehr erhellend«, sagte Mallory. »Ich habe die Feststellung gemacht, dass man immer profitiert, wenn man mit einem Techniker spricht, der sich in seinem Fach wirklich auskennt. Ich gebe Ihnen meine Karte.«
Mallory nahm eine seiner Visitenkarten aus dem Notizbuch, faltete eine Fünfpfundnote, hielt sie gegen die Rückseite seiner Karte und übergab sie dem jungen Mann. Es war eine stattliche Summe. Eine wohlbedachte Investition.
Tobias fummelte unter seiner Schürze, brachte eine fettige Lederbrieftasche zum Vorschein und entnahm ihr seinerseits eine eselsohrige kleine Visitenkarte aus satiniertem weißen Karton. J. J. TOBIAS, ESQ . stand darauf in stark verschnör kelter Maschinenfraktur. KINOTROPIE UND MATERIALIEN ZUM THEATER . Darunter war eine Anschrift in Whitechapel. »Diese Telegrafennummer am Fuß der Karte ist nicht mehr gültig«, erläuterte Tobias. Mallory ging nicht weiter darauf ein und fragte: »Interessieren Sie sich für französische Kinotropie, Mr. Tobias?«
»Ja, gewiss, Sir«, erwiderte Tobias. »Heutzutage kommt das schönste Material vom Montmartre.«
»Meines Wissens verwenden die französischen Ordinateure eine besondere Norm für ihre Karten.«
»Die Napoleon-Norm«, sagte Tobias. »Kleinere Karten aus einem künstlichen Material, die sich in den Kompilatoren sehr schnell verarbeiten lassen. Die Geschwindigkeit ist bei der Arbeit mit dem Kinotrop sehr geeignet.«
»Wissen Sie, wo man hier in London einen von diesen französischen Kompilatoren mieten könnte?«
»Um Daten von französischen Lochkarten zu übertragen, Sir?«
»Ja.« Mallory war bestrebt, nur beiläufiges Interesse zu zeigen. »Ich erwarte Datenmaterial von einem französischen Kollegen, das eine wissenschaftliche Kontroverse behandelt – ziemlich schwer verständlich, aber gleichwohl eine Angelegenheit wissenschaftlicher Vertraulichkeit. Ich würde es vorziehen, das Material privat nach meinem Belieben durchzusehen.«
»Ich verstehe, Sir«, sagte Tobias. »Nun, ich kenne einen Mann mit einem französischen Kompilator, und er würde Sie damit tun lassen, was Sie wollen, wenn die Bezahlung stimmt. Letztes Jahr war der französische Standard in Londoner Locherkreisen sehr in Mode gekommen. Aber inzwischen hat sich die Einstellung dazu gewandelt, vor allem durch die Schwierigkeiten mit dem Großen Napoleon.«
»Tatsächlich?«, fragte Mallory mit leichtem Zweifel in der Stimme.
Tobias nickte, erfreut über die Gelegenheit, sich als Autorität auszuweisen. »Ich glaube, es macht sich jetzt bemerkbar, Sir, dass die Franzosen sich mit ihrem gigantischen Napoleon-Projekt übernommen
Weitere Kostenlose Bücher