Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
auch außerhalb Europas. In der EU gibt es eine Reihe von Regelungen, die dafür sorgen sollen, dass man das unbesorgt tun kann, auch in Bulgarien oder Spanien, und dass die Ware einem dann zugesandt wird. Es gibt sprachliche und kulturelle Hürden, gewiss, aber darüber hinaus stellt sich doch noch ein echtes, anderes Problem: Welcher reale Schutz existiert hier eigentlich?
Als sich Falk Lüke einmal eine Jacke per Internet bestellte, endete die Adresse des Onlineshops auf.com, was nicht so ungewöhnlich ist. Die Sprache der Internetseite war Deutsch, die Bezahlung erfolgte in Euro, und die Jacke? Die war super. Als das Paket dann aus Österreich kam, war er trotzdem überrascht. Er hatte nicht drauf geachtet, wo der Shop sitzt. Könnte man die Jacke jetzt gegebenenfalls zurückschicken? Und bis wann? Wer würde die Portokosten zahlen? Wäre die Seite auf Spanisch gehalten gewesen, hätte sie auch aus Argentinien sein können. Wenn die Währung in Euro angegeben ist, was möglich ist, lässt sich das nicht auf Anhieb erkennen.
Wie Waren vertrieben werden, wie sie dem Kunden angeboten und auf der Basis welcher gesetzlichen Garantien, zu diesen Fragen gibt es starke internationale Unterschiede. Innerhalb der Europäischen Union gibt es zwar verlässliche Mindeststandards, aber die Abweichungen sind auch nicht leicht herauszufinden. Dass der Gerichtsstand bei Privatpersonen innerhalb Europas immer der Wohnsitz des Kunden ist, darauf kann man nichtvertrauen. Und wer will schon internationale Klageverfahren anstrengen.
Tatsächlich gibt es viele Firmen, die zwar in Europa eine kleine Dependance betreiben, aber diese Nebenstellen sind nicht die Vertragspartner der Kunden – so zumindest die Sichtweise der Unternehmen. Ob Google, eBay, Microsoft, Facebook oder Apple: Sie alle haben Firmenvertretungen in Europa. Aber manche streiten ab, dass Europäisches Recht auf sie anwendbar wäre, geschweige denn deutsches. Das ist ein politischer Streitpunkt, der daher rührt, dass die Aktivitäten im Internet selbst nicht nationaler Gesetzgebung unterliegen können. Dies wurde zum Beispiel am Fall »Aigner gegen Facebook« gut sichtbar. Ilse Aigner, Verbraucherschutzministerin und von der CSU, beschwerte sich bei Facebook über die inakzeptablen Datenschutzbestimmungen. Vollkommen zu Recht, wie die Autoren finden. Nur: Sie hatte überhaupt kein rechtliches Druckmittel in der Hand. Sie ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht einmal wirklich für Datenschutz zuständig. Und Facebook? Wahrscheinlich haben sich in den USA ein paar Leute darüber gewundert, was so passiert in diesem Land im alten Europa, das etwa ein Fünfzigstel der Nutzer stellt. Das Ende der – sehr medienwirksamen – Geschichte: Ilse Aigner löschte ihr Profil bei Facebook und forderte die Nutzer auf, das Gleiche zu tun. Gefolgt sind ihr nicht sonderlich viele.
In der deutschen wie der europäischen Politik ist der Verbraucherschutz seit langem ein wachsendes Feld, dessen Bewirtschaftung sich aber viele teilen. Verbraucherschutz ist ein typisches Querschnittsthema. Wenn es darum geht, wie Verträge ausgestaltet sein müssen, um beispielsweise das Internetärgernis »Kostenfallen« zu verhindern, bei denen etwa ein nutzloser, teurer Dienstleistungsvertrag untergeschoben wird, um eigentlich kostenlose Software zum Download zur Verfügung zu stellen, dann ist das Sache des Justizministeriums. Wenn es darum geht, dass uns keine gefährlichen Lebensmittel auf den Tisch kommen, dann ist das in der Regel Sache der Gesundheitsbehörden der Bundesländer. Und wenn es darum geht, welche digitalen Rechte wir als Verbraucher haben, dann – ja, dann fühlt sich manchmal das zuständige Bundesministerium dafür zuständig, manchmal aber auch nicht. Und wenn es das tut, wird es manchmalvon den anderen Ministerien unsanft darauf hingewiesen, dass es nicht federführend bei diesem Thema sei. So zum Beispiel beim Thema »Datenschutz im Internet«, was natürlich auch ein Verbraucherschutzthema ist. Nur: Die Zuständigkeit dafür, die liegt nicht beim Verbraucherschutzministerium, sondern beim Bundesministerium des Innern. Das klingt seltsam, hat aber eine historische Logik: Die Datenschutzgesetze waren im Kern ursprünglich vor allem für öffentliche Stellen, also Ministerien, Behörden und Ämter relevant.
Manchmal gibt es sehr unschöne Überraschungen. Denn manchmal, da lässt man uns nicht. Auch im schönen, anscheinend grenzenlosen Internet werden immer
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