Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
Kriterium herangezogen, dann wird anhand der benutzten I P-Adresse geschätzt, wo in etwa ein Mensch sitzt, und bei personalisierter Suche werden auch vorangegangene Suchen herangezogen, um Relevanzkriterien anzuwenden. Zudem speichern manche Suchmaschinen, welche Links häufiger als andere geklickt werden und merken sich dies für die Zukunft: Hier »lernt« ein Algorithmus, also eine programmierte Logik, vom menschlichen Verhalten.
Aber längst nicht alles landet im Index der Suchmaschinen. Große Teile des Internets sind nicht direkt für die kleinen Roboter-Spinnen,die Such-Bots, zu erschließen: Datenbanken, die hinter Eingabefeldern liegen, geschlossene Bereiche, die hinter Login-Masken liegen wie zum Beispiel Bezahlinhalte von Verlagen oder nur nach Passworteingabe zugängliche Seiten. Und der Betreiber einer Seite kann den Bots Anweisungen geben, welche Dinge zu durchsuchen sind und welche nicht.
»If it’s not on Google, it doesn’t exist«, heißt ein beliebtes Netzsprichwort – »Wenn es nicht bei Google ist, existiert es auch nicht.« Gemeint ist damit: Was nicht im Index der Suchmaschine ist, versuchen wir heute oft gar nicht mehr zu finden. Wir verlassen uns auf die bemerkenswerte Leistungsfähigkeit der Suchmaschine und blenden alternative Wege der Informationsbeschaffung aus.
Das ist nicht immer klug, denn auch so bedeutende Suchmaschinen indexieren eben längst nicht alles. Und sie suchen keineswegs ohne Einschränkungen. So blenden Suchmaschinen zum Beispiel anhand von technischen Kriterien wie »Fleischfarbenfiltern« standardmäßig Suchergebnisse aus der Bildersuche aus, die Erotik oder Pornografie beinhalten könnten. Das könnte manch einer noch gut finden. Kritischer wird es, wenn es sich um politische Eingriffe handelt: Im Internet sind erst einmal alle Seiten gleich – nur nicht jene, die anders behandelt werden als andere. Staaten stellen immer wieder Anforderungen an Suchmaschinen, dass sie für die jeweiligen Nutzer manche Suchergebnisse nicht ausliefern sollen. Auch bundesrepublikanische Behörden und Gerichte sehen Suchmaschinenbetreiber in der Pflicht, bestimmte Inhalte auszublenden. Meist handelt es sich um radikales Gedankengut oder anderweitig illegale Inhalte. Auch hier kann man erst einmal denken: Gut, das ist richtig so. Doch wenn man einen Moment über den Mechanismus nachdenkt, der da zum Tragen kommt, fängt man an zu grübeln: Es gibt also Instanzen, die aktiv Dinge aus den Suchergebnissen entfernen lassen. Wir sehen gar nicht, was fehlt. Wir wissen es nicht und müssen uns darauf verlassen, dass dies aus gutem Grunde geschieht. Kann das wirklich gut sein?
Man muss nicht zum Beispiel China greifen, hinter dessen »Great Firewall« (nur unzureichend als »Große Brandschutzmauer« zu übersetzen) nicht nur viele Inhalte nicht verfügbar sind und aktiv die Erreichbarkeit von Seiten und Inhalten verhindertwird. Es wird darüber hinaus auch aktiv in die Suchergebnisse eingegriffen. Wer mit sina.com, einer populären chinesischen Suchmaschine, nach dem Tiananmen-Platz (»Platz des himmlischen Friedens«) sucht, auf dem 1989 die chinesische Führung protestierende Bürger von Panzern niederwalzen ließ, bekommt signifikant andere Ergebnisse als zum Beispiel mit google.com: keine Panzer, keine Hinweise auf das Massaker. Der Eingriff in die Suchergebnisse nach politischen Kriterien ist schlicht Zensur.
Zensur ist der aktive Eingriff in die Verfügbarkeit von Information. Dass es nicht ungefährlich ist, Wissen weiterzugeben, wenn es den Interessen Mächtigerer zuwiderläuft, das ist eine Binsenweisheit und betrifft nicht nur Staaten wie China. Wer die Weitergabe von Wissen im weitesten Sinne unterdrückt, der fordert allerdings auch die Kreativität heraus. Und noch nie waren die Möglichkeiten zur Wissensweitergabe so gut wie mit den heute verfügbaren digitalen Techniken. Sie unterstützen Phänomene wie die sogenannten Whistleblower, also diejenigen, die aus lauteren Motiven heraus Informationen zum Beispiel über ihren Arbeitgeber an die Öffentlichkeit bringen. Es gibt natürlich eine Vielzahl von Arbeitgebern, bei denen etwas schiefläuft, und längst nicht in jedem Fall gibt es daran ein öffentliches Interesse.
Aber manchmal ist das anders, insbesondere dann, wenn es um ein Umfeld geht, von dem viele direkt oder indirekt betroffen sind. Der Fall der Berliner Altenpflegerin, die bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen musste, bis klar
Weitere Kostenlose Bücher