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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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›J’accuse‹ (»Ich klage an«) konnte 1898 die Öffentlichkeit herstellen, die notwendig war, um Justiz und Politik zum Einlenken zu bewegen und die wahren Schuldigen zu bestrafen. Aber in der digitalen Welt haben sich im Gegensatz zur analogen die Chancen des Öffentlichmachens radikal verändert. Wir werden später noch einmal sehen, wie dieser ineinandergreifende Mechanismus von Aufdecken und Aufmerksamkeit funktioniert.
    Über die Standards von WikiLeaks kann man geteilter Meinung sein. Julian Assange und seine Mitstreiter stellten die Transparenz staatlichen Handelns über alles   – auch über das einer möglichen Privatsphäre der handelnden Personen, über Abwägungen zu Folgen für Freiheit, Gesundheit, Leib und Leben der Betroffenen. So politisch dieser Anspruch der Aufdeckung ist, so anarchisch ist die Ignoranz gegenüber möglichen Folgen dieses Handelns. Bei den Diplomaten-Cables schien dies selbstAssange klar geworden zu sein: Die ersten veröffentlichten Versionen waren redigiert, um Folgen für darin erwähnte Menschen abzumildern. Zwischenzeitlich haben sich andere Projekte gegründet, die wie WikiLeaks für die »Befreiung« von Dokumenten und Informationen kämpfen möchten. Sie unterscheiden sich allerdings vom Original oft in ebendiesem Punkt: Nicht alles, was hereinkommt, wird gleichermaßen in die Öffentlichkeit gebracht.
    Die Informationsfreiheit ist seit Ende des 18.   Jahrhunderts in den Verfassungen mancher Länder verankert und kann somit auf eine historische Tradition zurückblicken. Für diese radikale Form, in der WikiLeaks geheim gehaltene Dokumente in großem Stil an die Öffentlichkeit brachte, gibt es aber kein historisches Vorbild. Aus diesem Anlass kann man auch die bisherige staatliche Geheimhaltungspraxis grundsätzlich in Frage stellen. Was wäre eigentlich, wenn nicht mehr alles Mögliche als geheim eingestuft würde, wenn mehr Wissen der Mächtigen öffentlich zugänglich gemacht wird?
    Das Wissen der Verwaltenden
    Es betrifft nicht nur den diplomatischen Apparat: Der Staat ist einer der größten Datensammler und -nutzer unserer Zeit. Und das nicht immer aus solch fragwürdigen Motiven wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Es gibt eine Vielzahl an staatlichen Daten, die für die Öffentlichkeit einen hohen Nutzwert haben und nicht geheim gehalten werden müssten. Behörden und Ämter kümmern sich um Gewässerqualitäten, um Lebensmittel und Gaststätten, sie haben Daten dazu, wo welche Leitungen verlegt wurden und was wo wann wie geplant wird. OpenData heißt es, wenn diese Daten der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Diese Art von gesteigerter Transparenz gewinnt in Deutschland allmählich an Fahrt. Auf den ersten Blick wirkt es allerdings widersprüchlich, wenn man gleichzeitig Datenschutz und OpenData fordert. Der Chaos Computer Club hat dafür jedoch schon früh die passende Formulierung gefunden: »Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.«
    Es gibt eine Vielzahl von staatlichen Daten, die im Prinzipöffentlich zugänglich sind und sein müssen. So können zum Beispiel Handelsregister, Vereinsregister und ähnliche Register von allen Bürgern eingesehen werden. Theoretisch. Doch praktisch muss man sich dafür zu den Uhrzeiten, zu denen die zuständigen Sachbearbeiter sich in den Büros befinden und Sprechzeiten haben, in deren Räumlichkeiten einfinden, umständliche Anträge ausfüllen und für diesen Aufwand am Ende gar Entgelte entrichten. Wenn Wissen auch Reichtum bedeuten sollte, dann sitzen die Bürokratien der Bundesrepublik auf einem Schatz von Dagobert Duck’schen Dimensionen. Allerdings muss bisher jedes noch so kleine Pflänzchen an Transparenz bei öffentlichen Verwaltungen einzeln gehätschelt und getätschelt werden. Wenn eine Verwaltung wie die Berlins im Jahr 2011 ein Portal für öffentliche Daten startet, ist die Freude groß: Bewegt sich hier etwa langsam etwas in die richtige Richtung? Es gibt viele Beispiele für den hohen Nutzwert der Daten, über die öffentliche Verwaltungen verfügen, zum Beispiel in der Lebensmittelkontrolle.
    Auf einer Vielzahl von Internetseiten, auch leicht über SmartPhones abrufbar, werden Restaurantempfehlungen ausgesprochen. Was sich bei diesen Restaurants hinter den Gasträumen abspielen kann, sieht man da nicht. Die Kontrolleure der Lebensmittelämter wissen es: gammelige Küchen, versiffte Personaltoiletten, abgelaufene Zutaten. Und es gibt erste zaghafte Schritte, die Ergebnisse ihrer

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