Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
können. Was heißt das für das Urheberrecht?
In seiner bisherigen Form ist es am Ende einer Sackgasse angekommen. Es ist zu Tode lobbyiert worden, von den ursprünglichen Intentionen ist wenig übrig geblieben. Statt den Urheberund dessen Werk vor Missbrauch zu schützen und ihn in seiner Verhandlungsposition zu stärken, ist es ein Recht, das vor allem den »Werkmittlern«, den Zwischenhändlern und den großen, organisierten Rechteverwertern zugute kommt. Der Politik ist das nur zum Teil bewusst, doch die Konflikte der vergangenen Jahre drohen sich ohne eine grundlegende Reform weiter zu verschärfen. Das komplexe Konstrukt aus internationalen Vertragswerken, aus europäischen Richtlinien und nationalem Recht, aus nationaler Organisation und internationaler Nutzung führt dazu, dass diejenigen, die vorgeben, dass sie das Urheberrecht schützen wollen, es am Ende selbst zum Scheitern bringen. Dabei wären die ersten Schritte zu einem Urheberrecht für die digitale Gesellschaft gar nicht so schwer. Doch dafür müsste man die Realitäten anerkennen, was Politik und Wirtschaft naturgemäß schwerfällt, oft viel schwerer als den Urhebern.
Zum einen wäre da die Frage, was schützenswert ist und vor wem – und dann auch noch, in welchem Maße dies sinnvoll ist. Jedem Menschen, der ein Werk schafft, muss sein Urheberrecht zustehen. Denn er ist kreativ, hat seine Zeit, seine Fähigkeiten und auch sein Geld investiert. Doch in dem Moment, in dem sich ein Mensch entschließt, dass er sein Werk nicht nur für sich nutzen, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich machen und davon profitieren möchte, tritt neben das Urheberrecht eine Verpflichtung: die Verpflichtung, das Werk der Allgemeinheit nicht grundlos vorzuenthalten.
Das schließt die Frage der Schutzfristen ein, die deutlich reduziert statt verlängert werden müssten. Das schließt auch ein, dass man deutlicher zwischen einer kommerziellen und einer nicht-kommerziellen Nutzung unterscheidet. Eine nicht-kommerzielle Nutzung, beispielsweise zu Lehr- und Lernzwecken, aber auch die nicht-kommerzielle Verbreitung von Werken sollte in absehbarer Zeit nach der Veröffentlichung möglich werden und der Standard sein, von dem unter bestimmten Bedingungen abgewichen werden kann.
Wenn Verlage, Film- und Buchbranche sowie Urhebervertreter sagen, dass »Werke ihren Wert« haben müssten, dann haben sie zweifelsohne recht. Wer sein Werk länger als einen bestimmten Zeitraum – zum Beispiel fünf Jahre ab Erstveröffentlichung – der nicht-kommerziellen Nutzung durch die Öffentlichkeit vorenthaltenmöchte, muss die Möglichkeit dazu haben. Aber dazu sollte er/sie aktiv werden müssen, zum Beispiel, indem man diese Verlängerung der kommerziellen Nutzung gegen eine Gebühr registrieren lässt. Die nicht-kommerzielle Nutzung von Werken hingegen sollte kostenlos verlängerbar sein.
Auch die weiteren Rechteinhaber sollten die Möglichkeit zur Verlängerung bekommen: Für die sogenannten verwandten Schutzrechte, wie sie Musikwirtschaft und Filmwirtschaft kennen, müsste die Gebühr aber deutlich höher sein als bei den Urheberrechten. Der Schutz eines Werkes sollte auf maximal weitere 25 Jahre, insgesamt also 30 Jahre Schutzfrist beschränkt sein. Die »Lebensdauer« von Inhalten ist sehr unterschiedlich. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das vorliegende Buch im Jahr 2042 noch auf dem Markt ist und verkauft werden kann. Wenn das der Fall sein sollte, dann müssten sich die Autoren und auch der Verlag bis spätestens zum Jahr 2042 etwas Neues einfallen lassen, von dem sie weiter zehren könnten. Das halten wir für machbar.
Besonders umstritten ist die Frage, wie Urheber künftig im digitalen Raum vergütet werden könnten. Es gibt den Vorschlag, dass es für die nicht-kommerzielle Nutzung eine Art Pauschalabgabe geben könnte. Unter dem Namen »Kulturflatrate« wurde die Idee bekannt. Dahinter verbergen sich jedoch viele verschiedene Modelle. Eines der bekanntesten lautet etwa so: Abhängig von der Geschwindigkeit des Internetzugangs – und damit der Nutzungsmöglichkeit für urheberrechtlich geschützte Werke – zahlen Privatpersonen eine Pauschale, die an die Urheber entsprechend eines Verbreitungsschlüssels ausgezahlt wird. Das klingt auf den ersten Blick sehr einfach, wird aber im Detail recht kompliziert – wenn auch nicht komplizierter, als es heutige Urheberabgaben beispielsweise auf Kopierer, MP 3-Player und ähnliche Geräte sind.
Weitere Kostenlose Bücher