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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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darin, etwas zur Förderung der Kulturschaffenden beizutragen. Wenn man ständig hört, dass eine Verschärfung und stärkere Durchsetzung von Urheberrechten diesen zugute kommen würde, verinnerlicht man diese Position irgendwann und denkt weniger darüber nach, ob es auch alternative Sichtweisen gibt. Und schon gar nicht mehr hinterfragt man grundsätzlich, ob das Urheberrecht in seiner derzeitigen Form überhaupt das tut, was es vorgibt zu tun   – den Urhebern bei der Veröffentlichung ihrer Werke zu ihren Rechten zu verhelfen. Statt einen Schritt zurückzugehen und über den Wandel und sinnvolle Antworten nachzudenken, wird die normative Kraft des Faktischen beschworen: Weil es so ist, wie es ist, ist es richtig und muss genauso weitergehen. Das passiert, wenn man immer nur in seinem eigenen Mikrokosmos agiert.
    Diese politische Bunkermentalität findet man auch bei Innenpolitikern,die sich mit Fragen der sogenannten Inneren Sicherheit beschäftigen. Wer oft mit Sicherheitsbehörden zu tun hat, hat ein nachvollziehbares Anliegen, die Beamten zu stärken und ihnen möglichst viele und umfangreiche Ermittlungswerkzeuge zur Bewältigung ihrer Aufgaben zur Hand zu geben. Dass diese Ermittlungswerkzeuge Auswirkungen auf Bürgerrechte haben könnten, spielt dabei weniger eine Rolle. Schließlich trifft man ständig glaubwürdig wirkende Beamte, denen man vertraut und die mehr oder weniger hochmotiviert mit ihrer Arbeit für Sicherheit sorgen wollen.
    In der Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz wurde dies deutlich. Die Einführung von Netzsperren wurde von Jugend- und Kinderschützern vehement gefordert. Diese Gruppe trifft sich auch regelmäßig. Sie sind hochmotiviert und engagiert, Wege zu finden, um Kinder und Jugendliche tatsächlich zu schützen. Da kann man in einzelnen Debatten aufgrund fehlender Technikkompetenz und damit einhergehender fehlender Technologiefolgenabschätzung leicht über das Ziel hinausschießen, wie es im Fall des Zugangserschwerungsgesetzes passierte. Die Motivation vieler Beteiligter wurde an einem in der Debatte allgegenwärtigen Mantra sichtbar: »Wenn nur ein Kind gerettet wird, ist diese Maßnahme sinnvoll.« Dass Sperren kein einziges Kind retten, aber vielen Kindern das Leben in der Welt von morgen erschweren könnten, war ihnen zu diesem Zeitpunkt meist schlicht nicht bewusst. Gleichzeitig gab es in der Debatte noch einige Player mit ganz anderen Motiven, allen voran der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels Deutschland (IVD): Sein plötzliches engagiertes Auftreten war kaum der Ausdruck spontaner Kinderfreundlichkeit und Gemeinsinnorientierung, sondern Geschäftsinteresse. Mit Netzsperren als Zensurinfrastruktur hätte man vermeintlich den Zugang zu Kinderpornografie und später vielleicht auch Pornografie sperren und etwas Gutes tun können, das war die Theorie. Bei einem solchen ernsthaften Anliegen kann dann eine solche Theorie dazu führen, medienunkundige Politiker von Schnapsideen mit allerlei Nebenwirkungen zu überzeugen.
    Die Debatte um Netzsperren hatte aber auch ein erfreuliches Ergebnis: Dadurch, dass unterschiedliche Akteure aus unterschiedlichen Welten, Jugendschützer, Politiker und Engagierteaus dem Netz zusammenkamen, wurde dann letztendlich ein besserer, effektiverer und mit deutlich weniger Kollateralschäden für die Freiheit behafteter Weg beschritten und das Ziel »Löschen statt Sperren« definiert.
    Die vermeintliche Verschwörung der Fischminister
    Im März 2005 erlangte ein bis dahin in der Netzöffentlichkeit weitgehend unbekannter Ausschuss im E U-Rat der Mitgliedsländer große Aufmerksamkeit: der Fischereiausschuss. In diesem Ausschuss treffen sich die Agrarminister der einzelnen E U-Mit gliedsländer zum Austausch. In der lange währenden Debatte um eine E U-Richtlinie zur Einführung von Softwarepatenten im europäischen Binnenmarkt hatte der E U-Rat seine Zustimmung in ebendiesem Ausschuss auf die Tagesordnung gesetzt. Sofort gab es zahlreiche Verschwörungstheorien, dass man damit die Abstimmung verheimlichen wollte oder den fachlich zweifelsohne nicht kompetenten Agrarministern unterjubeln wollte. Man redete sich die Köpfe heiß darüber, wie denn die Agrarminister ohne Hintergrundwissen dieses komplexe Thema diskutieren könnten, an dem selbst Fachleute oft scheitern. Wer nicht gleichzeitig von Software-Entwicklung und Patentwesen Ahnung hat, ist in solchen Debatten verloren   – also fast jeder. Von einem Demokratiedefizit

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