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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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anderen I T-Industriever tretern an einem Tisch saßen. Jeder durfte mal etwas sagen. Dann mussten die neuen Besucher den Raum auch wieder verlassen, damit Industrie und Regierung weiter ihre Strategie planen konnten.
    Spätestens nach der Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz im Jahre 2009 hat sich die Politik etwas geöffnet. Zu Dialogrunden rund um Internet-relevante Themen in Familien- und Innenministerien werden teilweise auch nicht organisierte Vertreter der Zivilgesellschaft eingeladen, um die eigene Sichtweise zu vertreten. Der Chaos Computer Club kann sich vor Einladungen von Politikern, von Bundes- und Landtagsfraktionen und Ministerien kaum noch retten. Anderen geht es genauso.Dabei zu sein hilft zwar, die eigenen Netz-Positionen in Richtung Entscheider zu artikulieren, löst aber noch nicht das strukturelle Problem der Entscheidungsfindung.
    Die Debatte um das Urheberrecht illustriert das Zustandekommen von Entscheidungen in Berlin. Im vergangenen Jahrzehnt hat die Bundesregierung bereits zweimal versucht, das Urheberrecht zu modernisieren. Der sogenannte dritte Korb, ein weiterer Modernisierungsversuch, hat zum Zeitpunkt, an dem dieses Buch entsteht, noch immer nicht richtig begonnen. Geht man zu den Anhörungen der Bundesregierung oder des Bundestags zu diesem oder einem anderen Thema der digitalen Welt, bietet sich das immer gleiche Bild: Dutzende Verbandsvertreter etlicher Urheberrechtsverbände, von Drehbuchautoren über die Verlage bis zu den Hollywood-Vertretern aus den USA, werben für die Ausweitung und eine damit einhergehende bessere Durchsetzung ihrer jeweiligen Rechte. Die Interessen der Nutzer werden so gut wie nie artikuliert. Sie kommen im Spannungsfeld zwischen Urhebern und Verwertern in den Debatten bisher zu kurz. Dass die Nutzer meist nur von Verbraucherzentralen und wenigen Einzelpersonen vertreten waren, hat vor allem einen Grund: Sie sind nicht ausreichend organisiert. Wer teilnehmen will, muss Zeit und manchmal auch Fahrtkosten organisieren. Fachwissen ist notwendig, das man sich nicht mal eben anlesen kann, Argumente wollen abgewogen und erörtert sein und Verbündete gefunden werden. Wenn sich auf den Tischen vor der Tür zahlreiche Stellungnahmen von Verbänden finden, die andere Interessen vertreten, hat dies denselben Grund.
    Während die Teilnahme an Anhörungen zu diesem Thema in Berlin trotz einiger Hürden noch manchmal durchführbar ist, so wird dies auf anderen politischen Ebenen fast zu einer Mission Impossible. Unser Urheberrecht basiert auf der Europäischen Urheberrechtsrichtlinie, die auf E U-Ebene den Rahmen für die nationale Gesetzgebung schafft. Um etwas Grundlegendes zu ändern, muss man nach Brüssel. Aber auch die E U-Ebene hat das Urheberrecht nicht erfunden, sondern führt lediglich aus, was bereits vorher auf internationaler Ebene im Rahmen von Diskussionen bei der U N-Organisation World Intellectual Property Organization (WIPO) oder multilateralen Abkommen wie TRIPS oder aktuell ACTA diskutiert wurde. Wer dort mit amTisch sitzt, entscheidet darüber, welchen Gestaltungsspielraum die untergeordneten politischen Instanzen überhaupt haben. Und bei den internationalen Verhandlungen sitzen die hochbezahlten Lobbyisten der Rechteindustrie selbstverständlich mit am Tisch. Einerseits, weil sie sich die Reisen und Spesen leisten können, andererseits, weil sie teils direkt von den jeweiligen Regierungen in die nationalen Delegationen geholt werden. Vertreter von Wissenschaft und Zivilgesellschaft bleiben in der Regel außen vor. Nicht nur wegen der Fahrtkosten für Treffen in Nairobi, Genf, Buenos Aires oder Washington. Sondern auch, weil sie kaum in die nationalen Delegationen aufgenommen werden. Nicht nur der deutsche Staat gibt lieber seinen Wirtschaftsvertretern eine Stimme als anderen Akteuren.
    Dass die Positionen von Urhebern und Verwertern insbesondere von den oft federführenden Kulturpolitikern übernommen und dann vertreten werden, hat neben der Lobbydominanz vor allem einen Grund: Viele von ihnen kommen selbst aus dem Kulturbetrieb und werden tagtäglich während ihrer Arbeit oder von ihren ehemaligen Kollegen mit deren jeweiligen Wünschen und Forderungen konfrontiert. Morgens ein Gespräch im Abgeordnetenbüro, mittags ein Vortrag oder eine Podiumsdiskussion auf einem kulturpolitischen Kongress mit Urhebern und Verwertern, abends ein parlamentarischer Abend, dazwischen viel Post und Telefonate. Die Hauptmotivation der Kulturpolitiker besteht

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