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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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war vielerorts die Rede.
    Die Realität war etwas simpler. Zwischen den Mitgliedsländern war die später vom E U-Parlament gekippte Richtlinie bereits fertig verhandelt, das Treffen der Agrarminister im Fischereiausschuss war einfach das nächste hochrangige beschlussfassende Treffen für den E U-Rat . Und so kam es, dass die damalige deutsche Agrarministerin Renate Künast als Vertreterin der Bundesregierung im Fischereiausschuss die E U-Richtlinie zur Patentierung von Software ohne Debatte abnickte. Die Wege der Politik sind manchmal rätselhaft und unverständlich. Aber wenn man die Regeln kennt und etwas über das Funktionieren von Politik weiß, dann kann man sie zumindest verfolgen. Viele der im Umlauf befindlichen Verschwörungstheorien sagen mehr über diejenigen aus, die sie in Umlauf bringen, als über die Realität.
    Im Dezember 2011 überraschte die E U-Kommissarin für Digitales, die Niederländerin Neelie Kroes, die Öffentlichkeit mit einer Personalie. Karl-Theodor zu Guttenberg berate zukünftig die E U-Kommission in Fragen der Internetfreiheit und wie Internetnutzer, Blogger und Cyberaktivisten in autoritär regierten Ländern auf Dauer im Rahmen einer NoDisconnect-Strategie unterstützt werden können. Der über seine Doktorarbeit gestolperte Ex-Verteidigungsminister habe viele Talente und sei der richtige Mann für diesen Job. »Wenn jemand die Macht des Internets versteht und seine Macht, die Politik zu kontrollieren, dann ist es Karl-Theodor«, erklärte Neelie Kroes auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Nur schade, dass die interessierte deutsche Öffentlichkeit bisher noch nichts davon mitbekommen hatte. Nicht nur im Netz löste der neue Job für Guttenberg Erstaunen und massive Kritik aus. Viele fragten sich, warum und wodurch Guttenberg qualifiziert sei, zum Thema Internetfreiheit die E U-Kommission zu beraten. Dass jemand mit Hilfe von Internetnutzern beim Betrügen erwischt wurde, kann man ja wohl kaum als Kernqualifikation anführen. Außerdem waren von ihm bisher nur Forderungen nach einer weiteren Ausweitung von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen im Netz zu hören   – genau das, wovor er nun Blogger in repressiven Staaten schützen sollte.
    Da die Entscheidung für viele rational nicht nachvollziehbar war, schossen auch hier wieder Verschwörungstheorien wie Pilze aus dem Boden. Beliebt war in diesem Zusammenhang die Legende der Bilderberg-Konferenzen, laut Wikipedia »informelle, private Treffen von einflussreichen Personen aus Wirtschaft, Militär, Politik, Medien, Hochschulen und (ehemaligem) Adel«. Kurz: ein Vernetzungstreffen von Freunden des transatlantischen Austauschs, wo Neelie Kroes und Guttenberg in den Vorjahren Gäste waren. Gut möglich, dass sie sich dort kennengelernt haben, vielleicht aber auch in einem anderen Zusammenhang. Immerhin war Guttenberg Chef zweier Bundesministerien, wenn auch nicht lange, und Neelie Kroes bereits mehrere Jahre E U-Kommissarin . Und ebenso gut möglich, dass die Ernennung von Guttenberg als E U-Berater für Internetfreiheiten auch langweilige Gründe hatte: Er kann gut Englisch, für deutsche Politiker keine Selbstverständlichkeit, hat viele Kontaktedurch seine frühere politische Arbeit, er hatte gerade Zeit und verbrachte diese in Think-Tank-Kreisen in den USA, wo die Themen der »NoDisconnect«-Strategie der E U-Kommission als Netzfreiheits-Strategie der U S-Regierung diskutiert werden. Guttenberg war für die Aufgabe kaum geeignet. Aber dahinter eine große Verschwörung zu wittern wäre unangemessen. Auch ohne dass jemand einen großen Masterplan entworfen hätte, begehen Menschen Fehler.
    Problematisch sind manchmal auch Wechsel zwischen Politik und Industrie. Was in den USA für Politiker gängig ist, kommt auch in Deutschland und Europa in Mode. Wenn der frühere E U-Kommissar für Industriepolitik, Informationstechnik und Telekommunikation, Martin Bangemann erst für die Regulation des E U-Telekommunikationsrahmens zuständig ist und ein halbes Jahr nach seinem Ausscheiden in den Vorstand des spanischen Telekommunikationsanbieters Telefonica wechselt, wird ein Mangel an Lobbyregeln sichtbar. Hier sind deutlich längere Karenzzeiten sinnvoll, mindestens zwei Jahre, bevor ein Ex-Politiker zu einem Marktteilnehmer wechselt, für den er vorher als aktiver Politiker zuständig war. Ein anderes Beispiel liefert der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto u.   a. zuständig für den

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