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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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vernachlässigte das Bewußtsein ganze Wahrnehmungszentren«, der Pfeil beschrieb einen umfassenden Kreis um das Bild, »bis sie ihre Arbeit einstellten und zum Teil verfielen. Das Gehirn eines Menschen enthält im Durchschnitt nur noch ein Hundertstel der Zentren, die ihm eigentlich zustünden. Und selbst von diesem kargen Rest funktioniert im Normalzustand nur noch ein einziges Zentrum, und innerhalb dieses Zentrums nur noch ein einziger Mechanismus«, der Pfeil zeigte auf einen der Punkte im äußeren Kreis, »dessen Impulse zudem noch durch einen der Knoten laufen und dort zeitlich geordnet werden. Nur wenn man sich dieses Bild mitsamt den Zahlen vor Augen hält, vermag man zu ermessen, wie erbärmlich wenig der Mensch von seiner Umwelt überhaupt noch wahrnimmt.«
    Er schwieg, und Ken ließ sich Zeit, seine Worte in sich aufzunehmen. Er war Naturwissenschaftler. Über die philosophische Seite des Problems, an dem er arbeitete, hatte er sich bisher kaum Gedanken gemacht. Es war das erste Mal, daß er den komplexen Fragenkreis der Wahrnehmungstheorie unter diesem Blickwinkel vor Augen geführt bekam.
    Schließlich begann Jernigan wieder zu sprechen.
    »Linth muß untersucht werden«, erklärte er. »Wir müssen erfahren, welches seiner Perzeptionszentren künstlich aktiviert war. Wenn geeignete Instrumente vorhanden sind, können wir darüber hinaus ermitteln, welcher der dreißig oder vierzig Wahrnehmungsmechanismen des Zentrums in Tätigkeit war.«
    Halb in Gedanken versunken, war Ken zur Schalttafel gegangen und hatte die verdunkelnden Vorhänge vor den Fenstern zur Seite gleiten lassen.
    »Eines verstehe ich nicht ganz«, sagte er, den Blick nachdenklich zu Boden gerichtet. »Ihre Welt läuft Gefahr, von Nenus Leuten unterjocht zu werden. Es muß dort Agenten in Hülle und Fülle geben. Sie beherrschen die praktische Anwendung der Perzeptionstheorie wesentlich besser als wir. Und trotzdem brauchen wir Linth? Es ist Ihnen noch kein einziges Mal gelungen, einen von Nenus Spitzeln zu fassen und sein Gehirn unter die Lupe zu nehmen?«
    »Nenus Leute sind nicht leicht zu fassen«, antwortete Jernigan ernst. »Sie haben recht – es muß Dutzende von ihnen auf unserer Welt geben. Aber bisher ist es uns nur einmal gelungen, einen von ihnen in die Hand zu bekommen. Er war bewußtlos, sein Geist schon in das Universum zurückgekehrt, aus dem er stammte. Wir untersuchten ihn.« Er wies auf den Bewußtlosen. »Wir brauchen Linth, um das Ergebnis der Untersuchung zu bestätigen.«
     
    *
     
    Sie analysierten Linths Gehirn. Für die Dauer einer Stunde sah Ken Lohmer sich in die Rolle eines Handlangers verdrängt, als Jernigan die Sonden und Meßgeräte mit einer Fachkenntnis handhabte, die auf lange Übung schließen ließ. Der Roboter äußerte sich angenehm überrascht über die Instrumente, die ihm zur Verfügung standen. Er gab offen zu, daß sie seine Erwartungen weit übertrafen. Es würde ein leichtes sein, nicht nur das Wahrnehmungszentrum, sondern den individuellen Mechanismus zu ermitteln, mit dessen Hilfe Linth in diese Welt vorgedrungen war.
    Gegen halb zwei erhielt Ken einen Anruf. Er kam aus Kappaos. Man informierte ihn darüber, daß er die Neugierde der Polizei nicht weiterhin zu fürchten brauchte. Offizielle Investigatoren der Bundesregierung waren am frühen Morgen in Epcot eingetroffen. Gemäß ihrer Aussage hatte eine Polizeipatrouille aus Daytona in den frühen Morgenstunden auf dem Grundstück der Litton & Litton Investment-Agentur einen bewußtlosen Mann gefunden, der keinerlei Ausweispapiere bei sich trug und von den Ärzten nur mit Mühe wieder zu Bewußtsein gebracht werden konnte. Er gab seinen Namen als Vinz Losic an und behauptete, aus Rockville, Bezirk Connecticut, zu stammen. Er hatte keine Ahnung, wie er nach Epcot gekommen war, und litt offenbar an einer akuten Amnesie, die die Periode der vergangenen fünf Tage umfaßte. Das war insofern merkwürdig, als festgestellt wurde, daß er tatsächlich aus Rockville stammte und dort noch vor drei Tagen wie üblich zur Arbeit erschienen war.
    Ken bat seinen Gesprächspartner um ein Bild des Mannes. Seine Bitte wurde erfüllt. Das Bild auf dem kleinen Interkom-Schirm zeigte Kori.
    Ken war erschüttert. Hier zeigte sich ein völlig neuer Aspekt der Perzeptionstheorie. Ein Mensch, der Kori bis in die letzte Einzelheit glich, hatte in diesem Universum schon existiert, bevor Kori sich durch die Aktivierung eines bisher lahmliegenden

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