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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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unbemerkt in Sicherheit zu bringen?«
    »Ihr Scharfsinn erschüttert mich«, versicherte Ken. »Also schön. Um Nenu zu kriegen, müssen wir einen Umweg über Ihr Universum machen. Einverstanden. Ich nehme an, Sie kennen eine Methode, das geeignete Perzeptionszentrum in meinem Gehirn so nachhaltig zu aktivieren, daß ich mich nicht eine halbe Stunde nach Ankunft in Ihrem Universum in Luft auflöse und mein Bewußtsein wieder dorthin entflieht, woher es kam.«
    »Das«, erwiderte Jernigan, »ist ein Problem. Kein allzu schweres«, beeilte er sich hinzuzufügen, als er Kens verwunderten Gesichtsausdruck bemerkte. »Wir werden es in einem bis zwei Tagen lösen können.«
    Ken war bestürzt.
    »Sie erwarten nicht«, fragte er, »daß sich ein Wahrnehmungszentrum in meinem Gehirn auf dieselbe Art aktivieren läßt wie in Ihrem?«
    »Nein, das erwarte ich nicht«, bestätigte Jernigan. »Sehen Sie – ich bin eine Art Sonderfall, besonders dazu ausgebildet, als reisender Agent für mein Universum zu arbeiten.«
    Er schwieg, als wäre das Problem damit erklärt.
    »Immer weiter«, drängte Ken. »Ich höre.«
    Jernigan wirkte fast verlegen. Es war das erste Mal, daß Ken eine solche Regung an ihm beobachtete.
    »Ich bin ein sehr merkwürdiges Wesen«, sagte er mit der Stimme eines Mannes, der auf dem Zeugenstand bekennt, daß nicht der Angeklagte, sondern er selbst der Schuldige sei. »Sie haben festgestellt, daß Faustschläge auf meiner Haut dieselbe Reaktion erzeugen wie auf der Haut anderer Leute – nämlich eine Beule. Sie haben gesehen, wie ich unter Nenus Pfeilhagel zusammenbrach und das Bewußtsein verlor. Sie haben mich Ei auf Speck essen sehen und haben allen Grund anzunehmen, daß ich ein völlig normaler Mensch bin – wie Sie zum Beispiel und andere Leute, die Sie kennen.«
    »Richtig«, antwortete Ken. »Und Sie wollen mir jetzt ...«
    »Ich will Ihnen jetzt klarmachen«, unterbrach ihn Jernigan, »daß dem nicht ganz so ist. Von hier an abwärts«, er hob die rechte Hand und hielt sie waagrecht mit dem Daumen gegen den Kehlkopf gedrückt, »bin ich so wie Sie, von geringen Abweichungen abgesehen. Aufwärts bin ich – nun – man könnte sagen ...«
    Ken begriff plötzlich. Von einer Sekunde zur andern wußte er, wie die Leute in Jernigans Universum das Problem gelöst hatten. Die Überraschung stand ihm auf dem Gesicht geschrieben. Jernigan beeilte sich, sein Geständnis zu vollenden.
    »Man könnte mich«, schloß er, jetzt sicherer als zuvor, »einen Roboter nennen.«
     
    *
     
    Als Ken und Jernigan gegen Mittag das Institutsgebäude betraten, erfuhren sie, daß weder Felip noch Dado sich bis jetzt zum Dienst gemeldet hatten. Ken war ihnen dafür dankbar. Die Lage hatte dadurch, daß Jernigan sich ihm anvertraute, einen völlig neuen Aspekt gewonnen. Er sah keinen Anlaß, Dado und Felip über die Identität des Roboters aufzuklären; aber er würde eine oder zwei Stunden brauchen, um sich von der Überraschung zu erholen, bevor er sich den beiden gegenüber wieder unbefangen benehmen konnte.
    Linth lag noch da, wie er ihn verlassen hatte. Sein Bewußtsein war längst in jenes ferne Universum zurückgekehrt, das Jernigans Auftraggeber seit langen Jahren zu finden hofften. Nur der Körper, dessen er sich hier, auf dieser Welt, bedient hatte, war zurückgeblieben – eine Laune der menschlichen Natur oder, wenn man es so wollte, eines beschränkten Wahrnehmungsvermögens, das nicht duldete, daß sich ein Gegenstand einfach in Luft auflöste, weil es sich in Jahrmillionen der Entwicklung daran gewöhnt hatte zu glauben, daß Materie sich niemals auflöste.
    Jernigan erklärte, woran er am vergangenen Abend gearbeitet hatte. Die Perzeptionsforschung seiner Welt war wesentlich weiter fortgeschritten als die Studien im Peninsular Institute of Neurophysics. Der innere Aufbau eines Perzeptionszentrums war Jernigan kein Geheimnis, während Ken Lohmer und seine Mitarbeiter sich die strukturelle Analyse der Wahrnehmungszentren erst nach Kens Besuch der Schwarzen Welt auf den Stundenplan geschrieben hatten. Da einerseits weitere, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Experimente nur dann mit vernünftiger Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden konnten, wenn die Arbeitsweise des Wahrnehmungsprozesses bis ins kleinste Detail bekannt war, und da andererseits Jernigan Lohmers und seiner Leute Unterstützung gewinnen wollte und daher dafür sorgen mußte, daß sie in die Lage versetzt wurden, weitere Versuche

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