Die Diktatorin der Welt
haben sogar noch was abgestaubt, nicht wahr? Das ist Linth?«
»Das ist Linth«, bestätigte Ken. »Wir haben ihn untersucht. Wir wissen, welches Perzeptionszentrum er benutzt, um seine eigene Welt wahrzunehmen.«
Felip seufzte.
»Also schön, ich habe mich wie ein kleines Kind benommen«, gestand er ergeben. »Ich war ein wenig zu mißtrauisch. Kann einem ja auch niemand übelnehmen, wenn gerade in dem Augenblick, in dem alles drunter und drüber geht, jemand auftaucht, der alles besser weiß und sich nachts heimlich im Labor zu schaffen macht. Heh, Jernigan – es tut mir leid! Hören Sie?«
Jernigan richtete sich auf und lächelte Felip an.
»Mir ebenfalls, Gutierr. Friede von jetzt an?«
»Friede von jetzt an!« bekräftigte Felip.
Dann wandte er sich an Ken.
»Wo ist Dado?«
Ken zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich zu Hause.«
»Zu Hause ist sie nicht«, behauptete Felip. »Sie rief mich gegen Mittag an. Sagte, wir sollten zusammen zum Labor fahren. Ich war einverstanden. Ich hatte noch ein paar Dinge zu tun, und es dauerte länger, als ich gedacht hatte. Ich rief sie an und wollte ihr sagen, daß ich mich verspäten würde. Aber sie war nicht mehr zu Hause.«
Jernigan, den bis jetzt nichts von seiner Arbeit hatte ablenken können, fuhr in die Höhe.
»Wann war das?« fragte er scharf.
»Vor vierzig, fünfzig Minuten«, antwortete Felip, über die Heftigkeit der Frage verwirrt.
Jernigan wandte sich an Ken.
»Sie sollten versuchen zu ermitteln, wo sie sich befindet«, riet er. »In einer Lage wie der unseren kann man nicht vorsichtig genug sein.«
Ken hatte die Sache zuerst auf die leichte Schulter nehmen wollen. Er konnte sich hundert plausible Gründe dafür ausdenken, warum Dado nicht zu Hause war, als Felip sie anrief. Aber Jernigans Warnung stimmte ihn bedenklich.
Er ging zum Interkom. Er tippte Dados Nummer in die Tastatur und wartete. Niemand meldete sich. Er wartete eine Minute, dann drückte er die Nottaste. Auf Dados Empfänger leuchtete jetzt in regelmäßigen Abständen ein rotes Warnsignal. Im gleichen Rhythmus gab der Summer einen durchdringenden, hellen Ton von sich. Wenn Dado zu Hause war und den ersten Anruf nicht beantwortet hatte, weil es ihr aus irgendeinem Grund nicht paßte – jetzt mußte sie zum Apparat kommen.
Eine weitere Minute verstrich, dann schaltete sich der städtische Komputer ein. Auf dem Bildschirm erschien die übliche Anweisung:
GEBEN SIE NAME UND ANSCHLUSS DES ANRUFENDEN SOWIE NAME UND ANSCHLUSS DES ANGERUFENEN.
Ken gehorchte und sprach die gewünschten Angaben in das Mikrophon.
NENNEN SIE ANLASS DES DRINGLICHKEITSRUFES.
»Ich habe Veranlassung zu befürchten, daß Miß Großman verschwunden ist«, sagte Ken.
SIE WERDEN DARAUF HINGEWIESEN, DASS GRUNDLOSE BENUTZUNG DES NOTRUFKODES EINE STRAFE VON P$ 100.– UND/ODER FREIHEITSENTZUG VON FÜNF TAGEN NACH SICH ZIEHT. SIE SIND SICH DIESER AUFLAGE BEWUSST?
»Natürlich«, knurrte Ken.
NACHFORSCHUNG NACH MISS GROSSMANS VERBLEIB WIRD UNVERZÜGLICH UNTERNOMMEN. SIE WERDEN GEBETEN, SICH IN DER NÄHE DES EMPFÄNGERS AUFZUHALTEN.
»Danke«, sagte Ken.
Damit war die Sache in den besten Händen. Dados Name würde in allen ober- und unterirdischen Straßen ausgerufen werden. Wenn sie sich in Epcot befand, würde sie in spätestens drei Minuten wissen, daß jemand dringend nach ihr suchte, und sich am Interkom melden.
Hatte sie die Stadt verlassen, dann ergaben sich zusätzliche Schwierigkeiten, denn um eine ähnliche Suchaktion in einer anderen Stadt in die Wege zu leiten, brauchte man die Zustimmung der zuständigen Stadtbehörden. Aber der Komputer konnte ermitteln, ob und wann sie Epcot verlassen hatte. Das Funkleitsystem jedes Wagens arbeitete auf einer bestimmten Frequenz, die unter dem Namen des Fahrzeugbesitzers registriert war. Der Komputer besaß zu jedem Zeitpunkt Information über die Funkleitfrequenzen aller Fahrzeuge, die die Grenzen der Stadt im Laufe der vergangenen zehntausend Stunden einwärts oder auswärts überschritten hatten.
Ken kehrte dorthin zurück, wo Jernigan, von Felip aufmerksam beobachtet, inzwischen mit dem Zusammenbau der Teile begonnen hatte, die dem Elektropunktor entnommen worden waren. Felip sah Ken auf sich zukommen und warf ihm einen fragenden Blick zu. Ken schüttelte den Kopf. Jernigan, obwohl er über seine Arbeit gebeugt war, hatte den geräuschlosen Gedankenaustausch bemerkt.
»Ich halte es durchaus für möglich«, versicherte er kühl, »daß
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