Die Dilettanten
vermutlich auf dem deregulierten Arbeitsmarkt beweisen müssten. Aber was soll’s? Schließlich ist auch nicht alles Rembrandt, wo Rembrandt draufsteht, und schon so manch einem Professor gefiel die Arbeit eines Studenten so gut, dass er sie spontan unter seinem eigenen Namen veröffentlichte. Selbstverständlich gab und gibt es große politische Persönlichkeiten. Ob unsere aktuellen Alpha-Weibchen und -Männchen dazugehören, mag der mündige Bürger selbst entscheiden.
Angela Merkel (CDU), Diplomphysikerin, Bundeskanzlerin, Parteichefin
Politisch abwaschbarer, ferngesteuerter Hosenanzug?
Angela Merkel, geboren am 17. Juli 1954 in Hamburg, aufgewachsen in Templin (Brandenburg), ist »politisch abwaschbar«. 70 Gestern noch FDJ-Funktionärin, gerade eben noch eine der letzten Freundinnen von George W. Bush und heute gleichzeitig entschiedene Vorkämpferin und harte Kritikerin der neoliberalen Umverteilung.
1973 tritt sie rechtzeitig zu Beginn ihres Physikstudiums der FDJ bei. Nach Examen 1978 und Promotion 1986 arbeitet sie bis zur Wende 1990 am Institut für Physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften Berlin und bringt es zur Funktionärin für Agitation und Propaganda in der FDJ-Leitung. Wer weiß, wie weit nach oben
dieser
Weg gegangen wäre? Aber dann fällt die Mauer: PR für Honeckers DDR ist
out,
Lobgesänge auf die bundesdeutsche Marktwirtschaft sind
in:
Neue Karriereziele müssen her.
1989 tritt sie dem »Demokratischen Aufbruch« bei, 1990 der CDU, und gleich nach der Volkskammerwahl im Frühjahr 1990 wird sie Vizeregierungssprecherin der Regierung Lothar de Maizière. Die erste gesamtdeutsche Wahl Ende 1990 spült sie in den Bundestag.
1991 macht Helmut Kohl »das Mädchen« (O-Ton Kohl) zur Familienministerin, zur Vizechefin der Bundes-CDU und 1994 zur Umweltministerin. Nach der Wahlniederlage 1998 wird sie unter dem neuen CDU-Chef Wolfgang Schäuble Generalsekretärin. Beim Spendenskandal rückt sie schneller und klarer als Schäuble von Kohl ab, und als Schäuble wegen der berühmten »100 000-Mark-Spende« des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber zurücktritt, wird Merkel im April 2000 neue Parteichefin. Nachdem ihr Edmund Stoiber 2002 die Kanzlerkandidatur wegschnappt und prompt die Wahl verliert, wird sie zunächst CDU/CSU-Fraktionschefin im Bundestag und 2005 Kanzlerin.
Dieter Hildebrandt findet, dass Angela Merkel »alles personifiziert, was man Politikern unterstellt: Berechnung, Machthunger,rabiate Kampfmethoden, Vernichtungswillen – gepaart mit einer in der Uckermark verwurzelten Illusion von Harmlosigkeit.« 71
Aus DDR-Zeiten ist kein einziges kritisches Wort oder gar eine oppositionelle Handlung von ihr überliefert; sie macht im Gegenteil eine wenn auch bescheidene Politkarriere. So weit, so gut, das hielten Millionen andere genauso; und die meisten Westdeutschen hätten es kaum anders gemacht. Nur: Diese Millionen Mitläufer haben nicht, kaum dass die Luft rein und DDR-Kritik ungefährlich und sogar erwünscht war, den Mund bis zum Anschlag aufgerissen, sich den »neuen Herren« angedient und eine Turbokarriere hingelegt. Ein sehr enger Freund berichtet über den »Revolutionswinter 1989« dem
Spiegel
: »Alle waren aufgeregt, haben diskutiert. Nur Angela saß an meinem ehemaligen Schreibtisch und machte irgendwas Fachliches. Ich habe sie gefragt, warum sie nicht bei den anderen sei. Sie hat gesagt, dass es ja sowieso nichts bringe. Insofern habe ich mich schon gewundert, dass sie ein paar Wochen später Sprecherin der Regierung de Maizière war.« 72 Dubios ist auch die Geschichte mit Merkels Passbild, das sich nach der Wende in einer Stasi-Fotosammlung von Personen fand, die bei der Annäherung an das Grundstück des Dissidenten Robert Havemann in Grünheide bei Berlin erfasst worden waren. Mit der Veröffentlichung dieses Fotos aber ist Merkel merkwürdigerweise bis heute nicht einverstanden. 73
Fest steht jedenfalls: Merkels etwaige Distanz zum SED-Regime unterlag vermutlich dem Datenschutz. Da helfen auch keine peinlichen Versuche, sich zum Beispiel gegenüber der
Süddeutschen Zeitung
nachträglich als Ostberliner »Hausbesetzerin« zu inszenieren. 74 Gäbe es heute noch die DDR, so hätte Merkel aufgrund ihrer politischen Vita ohne weiteres auch dort Karriere machen und möglicherweise heute Erste Sekretärin desPolitbüros des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Staatsratsvorsitzende der Deutschen Demokratischen Republik werden
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