Die Dilettanten
können.
Ähnlich wie andere von Kanzler Kohl protegierte Quotenossis – man denke nur an Familienministerin Claudia Nolte und Verkehrsminister Günther Krause – ist auch bei Merkel zu Beginn ihrer fulminanten Karriere nicht die Spur einer Qualifikation für irgendein politisches Amt zu erkennen.
Wohl aber der geradezu schrödereske Ellenbogenpopulismus: »Für mich waren nach der Wiedervereinigung sofort drei Dinge klar: Ich wollte in den Bundestag, eine schnelle deutsche Einheit und soziale Marktwirtschaft«, tönt sie schon 1998. 75
In Wahrheit war für sie von Anfang an wohl ein Ziel klar, wie sie im Mai 2004 verrät: »Früher wollte ich Eiskunstläuferin werden. Das lag mir nun gerade besonders wenig. Früher wollte ich immer Dinge tun, die ich nicht konnte. Das ist heute sicher anders.« 76 Hauptsache berühmt, egal womit – Dieter Bohlens »Superstars« lassen grüßen: Wer nicht singen kann, wird eben Küblböck. Und wer nicht eislaufen kann, Kanzlerin.
In Sachen windschlüpfiger Karrierismus braucht sich Merkel tatsächlich vor niemandem zu verstecken. Nur konsequent hält sie sich auch beim Regieren meist heraus: Ob Rente oder Atomkraft, Bildung oder Kindergeld, Hartz IV oder innere Sicherheit – Streiten und Prügeleinstecken überlässt sie anderen. »Sie macht nichts, aber das macht sie gut«, kommentierte erst kürzlich die Berliner Rundfunklegende Henning Voßkamp.
Bestenfalls als Persiflage auf eine Laudatio ist in diesem Zusammenhang die gern zitierte Äußerung des Rivalen Christian Wulff von 2002 zu verstehen: Merkel wirke »integrierend zwischen Ost und West, zwischen Liberalen, Konservativen und Christlich-Sozialen«. Sie habe »klare Vorstellungen über die großen Themen in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Finanzpolitik.Sie steht für eine Gesellschaftspolitik, die die Menschen nicht überfordert. Ob es um die Zukunft unseres Landes in Europa oder um die Notwendigkeit geht, neues Denken zur Bewahrung der Schöpfung einzufordern, Angela Merkel hat dazu etwas zu sagen, mit großer Kompetenz und Glaubwürdigkeit.« 77
In Ewigkeit, amen, möchte man hinzufügen, aber die Realität ist einige Nummern mickriger: Dass sie die »Wirtschaftskompetenz« von der Unternehmensberatung
McKinsey
hat, deren Ex-Deutschlandchef Jürgen Kluge ihr ebenso wie Siemens-Übervater Heinrich von Pierer lange Zeit ihre »strategischen Gedanken« ins Hirn diktierte, ist längst Allgemeinbildung. Und wenn sie wirklich mal etwas Eigenes probiert, geht es prompt in die Hose: »Merkels Patzer lassen Unions-Strategen zittern«, lästert
Spiegel Online
im Dezember 2007. »Schlingerkurs beim Mindestlohn, effekthascherisches Poltern gegen Managerbezüge: Beim Versuch, sich wieder verstärkt in die Innenpolitik einzumischen, strauchelt die Kanzlerin von Fehler zu Fehler.« 78
Immerhin profiliert sie sich als Autokanzlerin, als sie Anfang 2007 die deutschen Spritschleudern mutig gegen die CO 2 -Vorstellungen der EU-Umweltfanatiker verteidigt.
Auch weltpolitisch lässt sie lieber denken: Entsprechend dem Drehbuch von Christoph Heusgen, im Kanzleramt Abteilungsleiter für Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, ist ihr keine Anbiederung an ihre neuen amerikanischen Freunde, besonders die im republikanischen Lager, zu plump. Schon vor ihrem Amtsantritt verbreitet sie ungeniert die Lügen der Bush-Regierung über das irakische Rüstungsarsenal.
Und auch vor der US-Wahl ist Merkel eher dem Bush/McCain-Flügel zugeneigt. So äußert sie im Juli 2008 ihr »Befremden« über Barack Obamas Plan für eine Rede am Brandenburger Tor, und nach dem kurzen Georgien-Scharmützel im August liestsie quasi als inoffizielle Bush-Botschafterin dem georgischen Regenten Michail Saakaschwili dafür die Leviten, dass er die westliche Provokation gegen Russland verpatzt hat, und fordert gleichzeitig die Nato-Mitgliedschaft der Kaukasus-Republik. Mit Blick auf die Bundestagswahlen allerdings kämpft sie im Herbst 2008 mit einer Kritik am US-Finanzgebaren gegen ihren Ruf als von der Bush-Regierung »ferngesteuerter Hosenanzug« an.
Doch die Sache ist nicht ganz so einfach; spätestens die Bayerische Landtagswahl im September 2008 zeigte, wie Holger Schmale von der
Berliner Zeitung
meint, dass die Kanzlerin »Teil des Problems und nicht seine Lösung« ist: »Angela Merkel spielt mit ihrer Haltung der engagierten Unbestimmtheit eine fatale Rolle für die Union. Ihr präsidiales Auftreten führt zu einer Entpolitisierung der öffentlichen
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