Die Dilettanten
wichtigsten Methoden zur Menschwerdung des Affen: Man probiert einfach so lange, bis es passt. Wenig hilfreich und meist peinlich ist sie, wenn unsere Spitzenpolitiker sie mangels Fachkompetenz notgedrungen anwenden.
Bei Hartz IV beispielsweise wird permanent nachgebessert oder »nachjustiert«, wie Wolfgang Thierse es hochtrabend nennt. So verlängert man das Arbeitslosengeld für Ältere, verschärft die Bedingungen für die Ich-AG, löst diese durch den Gründungszuschussab und dehnt die Minijobs, zuerst nur für Haushaltshilfen gedacht, auf die gesamte Wirtschaft aus. 2007 verdienen 7 Millionen »geringfügig Beschäftigte« höchstens 400 Euro im Monat. Und weil zu viele Hausfrauen, Rentner oder Studenten dies als Zusatzverdienst nutzen, erhöht man die Pauschale für Steuern und Sozialabgaben von 25 auf 30 Prozent.
Noch ehe die erste Stufe Gesundheitsreform am 1. April 2008 in Kraft tritt, muss »der große Pfusch«
(Stern)
wegen »kleiner Unrichtigkeiten« nachgebessert werden. Nicht ganz zu Unrecht wertet der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr dies als »Armutszeugnis und Beleg dafür, dass es der Koalition am Ende nicht mehr um Sach-, sondern nur um Machtfragen« gegangen sei. 61
Bei Justizministerin Brigitte Zypries und Innenminister Wolfgang Schäuble muss hingegen das Bundesverfassungsgericht permanent korrigieren. Die Vorratsdatenspeicherung stoppte es ebenso wie den Abschuss von Passagierflugzeugen und die Online-Durchsuchung.
Auch Verkehrsminister Tiefensee muss seinen Gesetzentwurf zur Bahnprivatisierung mehrmals nachbessern. Erst mit, dann ohne Schienennetz, schließlich blickt niemand mehr durch, und dann kommt auch noch die Finanzkrise dazwischen. Ihr allein und nicht einem letzten Rest von Verantwortungsgefühl eines Politikers ist es zu verdanken, dass die Bahn nicht längst im Rachen irgendwelcher – wie sich ja heute offenbart – hochkrimineller Heuschrecken gelandet ist.
Der Super-GAU: Die Finanzkrise
Dass für die neoliberalen Koryphäen die Weltfinanzkrise »völlig überraschend« kam, bedeutet nicht, dass sie es war. Marxsche oder keynesianische Ökonomen wissen um den Krisenzyklus und wiesen schon Anfang 2005 darauf hin, dass es bald wieder
so weit sei. Es handelte sich schlicht um eine der periodischen
Überproduktions
- bzw.
Unterkonsumtionskrisen
. Die Unternehmen sind bestens aufgestellt, Maschinen, Vertriebsorganisationen und Rohstoffzufuhr erstklassig, auch Arbeitskräfte überreichlich vorhanden und ebenso mehr als ausreichend mögliche Abnehmer. Nur leider »kaufen Autos keine Autos« (Henry Ford) – die potenziellen Käufer haben kein Geld. Mit unabgesicherten Krediten gab man ihnen die Möglichkeit, auch ohne eigenes Geld Häuser und Lebensnotwendiges zu kaufen. Hätte man ihnen das Geld einfach geschenkt, so hätte es die Krise in dieser Form nicht gegeben!
Da aber in der Marktwirtschaft die Umverteilung an das Volk »irrational« ist – dann könnte man ja gleich den verhassten »Sozialismus« einführen – und die Kredithaie sich ebenfalls eine goldene Nase verdienen wollen, erfand man den Derivathandel als gigantisches Kettenbrief-Spiel. Man versicherte die faulen Kredite bei jeweils noch risikofreudigeren Banken – ein Dummer musste einen noch Dümmeren finden. Dies konnte und musste man wissen. Dabei ist es auch bei der fast elf Milliarden Euro teuren IKB-Pleite eigentlich egal, ob das unglaubliche Desinteresse und die sprichwörtliche Inkompetenz des Verwaltungsrats oder eine irrwitzige Zockermentalität schuld waren. Sogar das 500 Milliarden Euro schwere Bankenrettungspaket – so viel wie der Bundesetat für Bildung und Forschung für 50 Jahre – war keineswegs ein »Sachzwang der Globalisierung«. Schließlich haben leibhaftige Bundesregierungen mit der Steuerbefreiung für Firmenverkäufe, der Legalisierung der Hedgefonds – über die Mitarbeit einer Heuschreckenjuristin am Gesetzestext berichten wir noch – und der Zulassung der Immobilien-Aktiengesellschaften,
Reits
(Real Estate Investment Trusts), die nationalen Voraussetzungen für die globale Zockerei geschaffen. Sogar etliche Stadtkämmerer haben sich mittlerweile aufsSpekulieren verlegt. Hunderte Städte verloren zweistellige Millionenbeträge durch sogenannte Swap-Geschäfte, bei denen zum Beispiel ein langfristiger Kredit mit kurzfristig besorgtem Geld gegenfinanziert wird. Läuft es gut, profitiert man vom Zinsunterschied. Doch klettern die Kurzfristzinsen, hat man ein Problem. Auf diese
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