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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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Millionen Euro für Expertenkommissionen. Aber dieser Eindruck täuscht, weil die jetzige Liste nur Aufträge von mindestens 50 000 Euro enthält und Schwarz-Rot möglicherweisevon den Schatzmeistern gelernt hat: Nach der Spenden- jetzt also die Honorarstückelung.
    An der Spitze der Beratersanierer steht jedenfalls Wolfgang Tiefensees Verkehrsministerium mit 13,7 Millionen Euro, gefolgt von den Ressorts Inneres mit 6,0 Millionen, Verteidigung mit 4,6, Finanzen mit 2,0, Forschung mit 1,9 und Entwicklungshilfe mit 1,7 Millionen Euro. Gerade mickrig wirken dagegen die 163 067 Euro für externe Berater des Kanzleramts.
    Nun fragt man sich natürlich, wozu die Regierung eine solch gigantische Ministerialbürokratie braucht und was die knapp 20 000 Mitarbeiter den ganzen Tag über machen. Denn was den sündhaft teuren Beratungsfirmen zugeschustert wird, ist meist typische Beamtenarbeit: In vielen Dingen könne man locker mithalten, meint etwa der Chef des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg, Martin Frank. Allerdings bemühte man Franks Behörde in zwölf Jahren nur dreimal.
    Drei »Fehler« springen bei der Beraterauswahl durch die Ministerien ins Auge: Sie wählen Berater aus, die vom Verwaltungsdschungel keinen Schimmer haben, sie »schanzen die Aufträge ohne Ausschreibung alten Bekannten zu – die so deutlich überhöhte Honorare kassieren können«, und sie »geraten bei Großprojekten in völlige Abhängigkeit von Beratern, die sich dann ganze Serien von Aufträgen verschaffen«. 66
    Eine der dümmsten Ausreden für den galoppierenden Beraterwahn ist die Behauptung, durch die Globalisierung sei alles »komplizierter« geworden. »Schwachsinn! Mit dieser Litanei kann man alles entschuldigen«, erbost sich da der Politikprofessor Wilhelm Hennis. »Ist etwa der Wiederaufbau nach 1945 unkompliziert gewesen? Das waren doch viel größere Aufgaben«. Und: »In den fünfziger Jahren wäre es vollkommen unvorstellbar gewesen, dass die Regierung McKinsey oder Roland Berger beschäftigt hätte.« 67
    Vor allem ist recht amüsant, wer da alles über »zunehmende Komplexität« räsoniert: Politiker, deren eigene Wirtschaftsqualifikation in einem abgebrochenen Psychologiestudium oder in einer Lehrerausbildung besteht, oder Berater, die vielen als »graduierte Idioten« 68 oder als »29-jährige Bubis aus dem BWL-Bereich« 69 gelten.

D. Von Asmussen bis Zypries – Wer kann und tut was?
    Bundesdeutsche Eliten zeichnen sich durch mindestens eine der folgenden Eigenschaften aus:
Berühmt – wie Promifriseure, Fernsehköche und Models mit Schuhgrößen-IQ.
Reich – wie Milliardärsclans, die seit Generationen keiner ehrlichen Arbeit mehr nachgehen.
Mächtig – wie Konzernbosse, die zum Beispiel allein mit der Drohung des Arbeitsplatzabbaus ihre Ziele erreichen können.
Klug – wie Quizmaster, die als Alleswisser auch schwierigste Fragen beantworten können.
    Eine Mischung aus alledem ist unsere politische Elite. Der gelegentlich verwendete Begriff
Politische Klasse
besagt aber nur, dass Berufspolitiker – ähnlich wie Ärzte, Polizisten oder Journalisten – über alle Differenzen hinweg gemeinsame Interessen haben. Meist betrifft dies ihr Einkommen, ihren Ruf in der Gesellschaft oder das Zusammenhalten gegen Kritik (»eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus«).
Politische Klasse
bedeutet aber weder
herrschende
Klasse: diese vom Boulevard oft aufgestellte Behauptung soll eher die offensichtliche Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft verschleiern. Noch bedeutet es – wie von gewissen Straßenmedien ebenfalls oft nahegelegt –
kennste einen, kennste alle.
Überhaupt hat pauschale Diffamierung nichts »Fortschrittliches«, sondern ist nurdie zeitgemäße Variante des jahrhundertealten, meist konsequenzlosen Schimpfens der tumben Untertanen auf »die Obrigkeit«. In Wahrheit gibt es auch unter den Volksvertretern »solche und solche«, wie wir jetzt sehen werden.
1. Macher und Entscheider
    Unter Blinden ist der Einäugige in einer Monarchie König, in einer Demokratie Spitzenpolitiker. Was sich als Macher präsentiert, darf man sich aber nicht als Ich-AG vorstellen, sondern als Gesamtkunstwerk. So wie ein
Tagesschau
-Sprecher sich auf über hundert Mitarbeiter stützt und lediglich etwas vom Teleprompter abliest, so haben auch die politischen Macher und Entscheider ganze Heerscharen von wissenschaftlichen Mitarbeitern, Rhetoriklehrern, Redenschreibern, Imageberatern und Werbefachleuten, ohne die sie sich

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