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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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ausschließende – Loyalität gegenüber dem jeweiligen Rudelführer. So diente er unter so unterschiedlichen Chefs wie NRW-Ministerpräsident Johannes Rau und den SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder.
    Verständlich wird das nur durch sein Credo »Opposition ist Mist«. 88 Regieren um jeden Preis und egal, womit – ist das nicht das eigennützige, marktwirtschaftliche Politikverständnis in Reinkultur?
    Wer in diesem Kampf um die Macht alles, inklusive der Wahlkampflügen,für erlaubt hält, dem erscheint es natürlich auch als »unfair«, wenn man ihn an diesen Lügen misst. Wenigstens weiß die Wählergemeinde jetzt, was etwa von seinem seit jeher obligatorischen »Versprechen« zu halten ist, nach den Wahlen die Vermögenden stärker zu besteuern.
    Überhaupt ist Münteferings gesamtes Tun auf das Erringen und Verteidigen von Macht ausgerichtet und auch entsprechend sein Denken geprägt von Begriffen wie »Loyalität«, »Geschlossenheit«, »Disziplin« und »Treue«. Nur folgerichtig steht er besonders mit der grundgesetzlichen Gewissensfreiheit des Abgeordneten auf Kriegsfuß. Für ihn ist der Volksvertreter nichts ohne die Partei und daher auch vor allem ihr – sprich, der Parteiführung – verantwortlich. So drohte er bereits bei den Abstimmungen 2001 zum Mazedonienkrieg und 2003 zur Gesundheitsreform den »Abweichlern« mit Verweigerung eines aussichtsreichen Listenplatzes für die nächste Wahl, also mit dem Ende der Politkarriere.
    Wenn das deutsche Wahlvolk einen Politiker redlich verdient hat, dann Franz Müntefering: Wo Schröder sagte, zum Regieren brauche er »
Bild, BamS
und Glotze«, da redet und handelt Müntefering sogar wie der Boulevard: Er übernimmt Aufgaben wie die des Arbeitsministers NRW oder des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ohne – wie seine zugänglichen Biographien verraten – auch nur ein Minimum an Sachkenntnis, das über die von
Bild
-Lesern hinausgeht. Als Arbeitsminister hatte er bestenfalls die Kompetenz eines kurzzeitigen Schreibtischhengstes in einer Metallfabrik, als Bau- und Wohnungsminister die eines Eigenheimers, als Verkehrsminister die eines Bahnbenutzers.
    Müntefering ist wandelnde Symbolpolitik, und seine nicht mit Fachwissen zu verwechselnde politische Bauernschläue sagt ihm – und leider mit Recht –, dass die Unbedarften da draußensowieso keinen Schimmer haben von dem, was um sie herum und vor allem mit ihnen geschieht. Er redet von »Heuschrecken« und meint die bösen US-Investoren – im Gegensatz zu den anständigen deutschen? Und hatte nicht gerade die von Rot-Grün im Jahr 2000 beschlossene Steuerfreiheit für den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen den Heuschrecken Tür und Tor geöffnet? Kurzum: Einmal mehr redet Müntefering teils verlogenen, teils einfach nur blühenden Unsinn, ohne sich des Inhalts und der Wirkung seiner Worte bewusst zu sein.
    »Die marktradikale Alternative ist 2005 gescheitert«, schreibt er in einem Brief an die Parteimitglieder, »und sie wird auch 2009 keine Mehrheit haben.« Das ist originell, gilt doch gerade Müntefering als der »unerbittlichste Agenda-Verteidiger, der Mann, der selbst dann noch Schröderianer blieb, als Schröder selbst schon von seiner Lehre abgefallen war«. 89 Pünktlich zum Wahlkampf also die erwartete Kehrtwendung. Nun sind die Banker plötzlich »Halbstarke, Gangster und Pyromanen«. Einige hätten nicht mehr gewusst, was sie machten, andere alles riskiert, und Dritte sich ihre Taschen gefüllt.
    Man darf gespannt sein, ob die SPD damit durchkommt, einen Vorsitzenden, der die »Armut per Gesetz« durchgedrückt hat und bis heute verteidigt, der die Rente mit 67 erfand, als Patron der kleinen Leute zu inszenieren.
    Seine Wiederauferstehung im Herbst 2008 schildert Peter Dausend in der
Zeit
so: »Nicht jeder, aber doch mancher hat verstanden: Von jetzt an bin ich, Müntefering – der Vizekanzler und oberste Disziplinator der Großen Koalition –, wieder Parteimensch. Von jetzt an geht es mir nicht mehr in erster Linie um das Wohl der Regierung, sondern um das der SPD.« Und spöttisch beschreibt er das Niveau: »Müntefering ist wieder viel unterwegs: Einbinden, mitnehmen, überzeugen. Und die Inhalte?« 90 Für Dieter Hildebrandt jedenfalls ist er ist »ein politischerTriebtäter und als solcher muss er respektiert werden. Er wirft sich sofort in jede Bresche, die sich ihm bietet.« 91
    Nicht zuletzt deshalb reklamiert die

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