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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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nur ohne Mauer.« 184
    Aber flexibel wie Westerwelle nun einmal ist, gibt es auch für ihn keine Regel ohne Ausnahme. Obwohl also der Markt imPrinzip aus sich heraus das größtmögliche auf Erden erreichbare Wohlergehen für alle Menschen erringt und der Staat mit seiner semibolschewistischen Regulierung alles durcheinanderbringt, ziert er sich am 17. Oktober 2008 bei der Bundestagsabstimmung über das Bankenrettungspaket nicht lange und lässt seine Fraktion zustimmen. Ob er bei den anschließenden Freudenfeiern der Milliardäre und Topmanager einen seiner Vorträge gehalten hat, ist nicht bekannt.
    Übrigens stellt sich die Kompetenzfrage bei Westerwelle nicht unmittelbar. Aber wenn viel zusammenkommt, dann wird er 2009 Außenminister einer schwarz-gelben Regierung. Wo er dafür wiederum die Kompetenz hernehmen will, entzieht sich den Nachforschungen.
    Zumindest übt er schon mal im Kleinen, zum Beispiel auf einer schwarz-gelben Wanderung im Sauerlandkreis gemeinsam mit dem »Anwalt der Heuschrecken« (
Welt
), dem früheren CDU-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz. Auf der Tour von Winterberg über den Kahlen Asten nach Neuastenberg demonstrieren die beiden Marktradikalen, wie sie sich den großzügigen mildtätigen Umgang der Reichen mit den Armen vorstellen. Die insgesamt 200 Wanderer sammeln nämlich für einen guten Zweck und bekommen für die Aktion
Lichtblicke
der NRW Lokalradios satte 3000 Euro zusammen – 15 Euro pro neoliberalem Wohltäter.
    Franz Walter attestiert Westerwelle jedenfalls ein »binäres Weltbild«: Für ihn sei alles »entweder schwarz oder weiß, faul oder fleißig, marktwirtschaftlich oder staatswirtschaftlich … Und so ist er das Haupthindernis für die Regierungsfähigkeit der Liberalen.« 185
Rainer Brüderle (FDP), Volkswirt, Parteivize Mutiger Märtyrer des Marktradikalismus
    Rainer Brüderle, geboren am 22. Juni 1945 in Berlin, verteidigt den neoliberalen Aberglauben auch noch nach seiner Entzauberung.
    Seit 1971 ist er Diplomvolkswirt, seit 1973 in der FDP, ab 1975 im Rathaus Mainz, und zwar erst als Amtschef für Wirtschaft und Verkehrsförderung, ab 1977 für Wirtschaft und Liegenschaften und von 1981 bis 1987 Wirtschaftsdezernent. Von 1981 bis 1983 ist er FDP-Chef Rheinhessen-Vorderpfalz, dann Vize im Kreisverband Mainz, seit 1983 Landeschef Rheinland-Pfalz, seit 1983 im Bundesvorstand, seit 1995 Parteivize, von 1987 bis 1998 im Landtag Rheinland-Pfalz, ab 1987 Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, von 1994 bis 1998 für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, von 1988 bis 1998 außerdem Vizeministerpräsident, ab 1998 im Bundestag und Fraktionsvize, seit 2005 wirtschaftspolitischer Fraktionssprecher und im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie.
    Nicht nur weil er im Beirat der Deutsche Bank AG, im Aufsichtsrat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft IVA Valuation & Advisory AG, im Verwaltungsrat Provinzial Rheinland Versicherung AG und im Beirat RSBK Strategie Beratung Kommunikation GmbH sitzt, gilt Brüderle als Wirtschaftslobbyist reinsten Wassers – und als mutiger noch dazu. »Ich bin stolz, ein Neoliberaler zu sein«, verkündet er im September 2005 gleich in der Überschrift eines Aufsatzes im
Cicero
. Kostprobe gefällig? »Der Neoliberalismus war im Nachkriegsdeutschland sehr erfolgreich. Seine Erfolge wurden aber unter einem anderen Namen bekannt gemacht – der Sozialen Marktwirtschaft.« Alles klar?
    Damals waren unter anderem Energieversorgung, Post, Telekommunikation,Bahn oder Lufthansa in staatlicher Hand – nach schon erwähntem FDP-Verständnis eine Art »DDR light« … Ob das allerdings der typische neoliberale Nachwuchs weiß?
    Geradezu heldenhaft versucht Brüderle, seine Partei aus der Defensive zu bringen, in die sie die Weltwirtschaftskrise gebracht hat. »Mit den Investmentbanken und den Finanzmärkten«, wirft zum Beispiel der SPD-Politiker Joachim Poss den Liberalen vor, »ist auch ihre ganze neoliberale Ideologie des Marktradikalismus zusammengebrochen.« Prompt verspricht Brüderle ein Papier mit den wichtigsten Argumenten gegen Kritik am Neoliberalismus und Forderungen für einen neuen Ordnungsrahmen des Finanzsektors. »Die FDP darf sich in der Finanzmarktkrise nicht ins Sündereckchen stellen lassen.« 186
    In einer schwarz-gelben Koalition – dem Wähler ist ja alles zuzutrauen – könnte Rainer Brüderle durchaus Wirtschaftsminister werden.
6. Scheinlinke
    Ähnlich wie sich ehrliche
Konservative
, denen die Bewahrung

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