Die Dilettanten
Kostenexplosion bei den Kassen verursacht.
Bierernst gemeint und folgenreich ist dagegen ihr Ansinnen zur Privatisierung der Kinderbetreuung – wird profitgieriges Gesindel hier ein ähnliches menschenunwürdiges Desaster anrichtet wie in der Altenpflege?
Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsökonom
Ullas ungeliebter Souffleur
Karl Lauterbach, geboren am 21. Februar 1963 in Düren, versucht den sozialen Neoliberalismus.
Ab 1983 studiert er Medizin in Aachen, Düsseldorf und San Antonio (Texas), von 1989 bis 1992 Gesundheitsökonomie und Epidemiologie an der Harvard School of Public Health in Boston, wo er zum Doctor of Science (Dr. Sc.) promoviert. Seit 1998 ist er Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) der Universität zu Köln. Von 1999 bis 2005 ist er im Sachverständigenrat zur
Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen,
ab 2001 in der SPD, ab 2003 in der
Rürup-Kommission
und seit der Wahl 2005 im Bundestag.
Ausländische Journalisten und Politiker wundern sich meist, dass Lauterbach nicht Gesundheitsminister und im Gegensatz zum Laienterzett Marion Caspers-Merk, Rolf Schwanitz und Theo Schröder nicht einmal Staatssekretär ist.
Einer der Gründe findet sich auf der Internetseite des Bundestags,nämlich Lauterbachs Nebenjobs. Außer Hochschullehrer an der Universität Köln und Aufsichtsrat der
Rhön-Klinikum AG,
Bad Neustadt/Saale, zahlten ihm für Beratung und Gutachten das
Klinikum Bremen-Mitte
im November 2005, die
AOK Bayern
im März 2006, die
AOK Rheinland
im Februar 2006, die
Barmer Ersatzkasse
im März 2006, die
Klinik Roderbirken
in Leichlingen im November 2007 und die
B. Braun Melsungen AG
im Januar 2008 jeweils mehr als 7000 Euro. Genauso viel zahlte ihm der
Rowohlt Verlag
im August 2007 und im März 2008.
Weniger als zum Beispiel Guido Westerwelle, nämlich höchstens 3500 Euro, erhielt er für Vorträge von der
Zeno Veranstaltungen GmbH
in Heidelberg im Dezember 2005, dem
Verein SwissDRG
in Bern im Oktober 2007, der
Malk Medizin Con trolling AG
in Lachen (Schweiz) im April 2008 und dem
Verband der Privatkrankenanstalten in Thüringen e.V
. in Bad Klosterlausnitz im Mai 2008.
Wer dermaßen gut im Geschäft ist, hat weder Zeit für das Amt eines Ministers oder Staatssekretärs noch Lust, diesem Job zuliebe wie vorgeschrieben auf das Zubrot zu verzichten.
Ein weiterer Grund dürfte der Kollegenneid sein. Verglichen mit deren phrasengeschüttelter Präkompetenz ist selbst Lauterbachs neoliberal verformtes Fachwissen Gold wert und beschämt sie. Daher erhält der Paradiesvogel – der lange Jahre als Ulla Schmidts Berater und faktischer Pressesprecher das vermittelt, was die Ministerin selbst nicht zu begreifen oder nicht in Worte zu fassen vermag – zur Bundestagswahl 2005 einen schlechten Listenplatz und einen unsicheren Wahlkreis, den er allerdings gewinnt. Dafür verliert er die Abstimmung zum gesundheitspolitischen Fraktionssprecher gegen eine gelernte Biotechnologin und frühere Pharmareferentin namens Carola Reimann.
Überhaupt gilt Lauterbach bei den eigenen Genossen alsAußenseiter und als »Linker« noch dazu: Lautstark warnt er vor der Zweiklassenmedizin, entwickelt mit der SPD-Linken Andrea Nahles für die Partei das Konzept der Bürgerversicherung, drängt aber ebenso auf die Ausrichtung der medizinischen Versorgung an betriebswirtschaftlichen Kriterien.
Im Februar 2006 bringt »Quertreiber Lauterbach« (
Welt
) das eigene Parteivolk auf die Palme, als er wenige Wochen vor drei Landtagswahlen ausgerechnet in
Bild
zur Finanzierung der Gesundheitsreform einen Zuschlag auf die Einkommensteuer (»Gesundheits-Soli«) fordert. Ulla Schmidt nennt dies hastig »seine Privatmeinung«, und der damalige Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz giftet, Lauterbach habe nur »erneut eines seiner vielen Modelle in den Medien plaziert«. 190
Aber Lauterbach bleibt unbeeindruckt: Im Februar 2007 stimmt er im Bundestag gegen die Gesundheitsreform und legt im September 2008 nach: Der Gesundheitsfonds werde die Lage für alle verschlechtern, weil die Kassen keine freiwilligen Leistungen mehr bezahlen könnten.
Aber auch außerhalb der Gesundheitspolitik meldet er sich zu Wort: Mal polemisiert er gegen das dreigliedrige Schulsystem, mal fordert er mehr Steuern für Reiche, mal sorgt seine Analyse der sozialen Schieflage im Rentensystem für Aufsehen, mal kritisiert er Münteferings Lebenswerk »Rente mit 67«, dann wieder nennt er das von der SPD
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