Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
Vom Netzwerk:
haarsträubendes Gesetz zur Privatisierung der Flugsicherung von Bundespräsident Horst Köhler wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gestoppt. Nie zuvor hatte sich Köhler bei einem Regierungsvorhaben quergestellt. Aber das Leben von Millionen Passagieren in die Hände gewissenloser Profitgeier zu legen war selbst unserem neoliberal angehauchten Staatsoberhaupt zu viel. Im März 2007 will er nach der Devise »Das macht doch nichts, dass, merkt doch keiner« mit Zahlen aus dem Jahr 1996 die angebliche Irrelevanz eines – von den Autokonzernen abgelehnten – Tempolimits für den CO 2 -Ausstoß »beweisen«. Im Juli 2008 schließlich möchte er den Straßenschilderwald lichten, dabei aber auch sicherheitsrelevante Warnungen wie die vor Glätte und Steinschlag sowie an Fußgängerüberwegen oder Bahnübergängen abschaffen.
    Tiefensees Lebenswerk, die Bahnprivatisierung, ist ein einziges Geschenk an jene ehrenwerte Gesellschaft, die gerade die Weltwirtschaft zugrunde richtet: »SPD lockt ›Heuschrecken‹ an Bord der Bahn«, lobt
Welt Online
. Das Modell sei »eine verlockende Offerte für jene Investoren, die von den Sozialdemokraten einst als Heuschrecken beschimpft wurden.« Kommentar von Lothar Gries von der
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger
: »Da bleiben nur die Blackstones übrig.« 172
    Ende Mai 2008 ist sein ebenso unkritisches wie verbissenes Treiben als Einpeitscher von Teilerfolg gekrönt. Der Bundestag beschließt gegen die Stimmen der Opposition den Verkauf von 24,9 Prozent der Anteile an einer neuen Bahn-Transport-gesellschaft an private Anleger. Das Schienennetz bleibt Staatseigentum.
Spiegel Online
deutet an, dass dieses Verscherbeln staatlicher Infrastruktur eine Art Zwangsvorstellung des Vorzeigemarktwirtschaftlers war: »Jetzt oder nie: VerkehrsministerTiefensee arbeitet … unter Hochdruck daran, Teile der Bahn noch 2008 zu privatisieren. Seine Vorstellungen decken sich demnach mit denen von Bahnchef Mehdorn.« 173
    Dass die Bahnprivatisierung dann vorerst auf Eis gelegt wird, ist eine der wenigen positiven Nebenwirkungen der Finanzkrise. Einen Vorgeschmack nämlich, was den Bürger dann erwartet, bieten schon jetzt Unpünktlichkeit, Unfälle und Streckenstilllegungen von 14000 Kilometern.
    Im November 2007 stellt ihm die Mehrheit der eigenen Mitarbeiter in einer internen Umfrage des Personalrats ein peinliches Zeugnis aus: Nur knapp elf Prozent finden, dass er seiner Führungsverantwortung »sehr gut« oder »gut« nachkomme, »eher schlecht« oder »schlecht« urteilen 57 Prozent. Sogar 67 Prozent meinen, Tiefensee schade dem Betriebsklima, nur neun Prozent glauben, er fördere es. Laut
Bild am Sonntag
nennen ihn die Mitarbeiter »Pfütze« oder »Flachwasser«.
    Auch Vetternwirtschaft werde ihm attestiert. So habe er die Leipziger Architektin Martina Doehler-Behzadi zur Leiterin des Referats »Baukultur« berufen und außerdem mit Dienstbezügen nach der Besoldungsstufe B3, obwohl Referatsleiter üblicherweise mit A15 begännen. 174
    Im Herbst 2008 verkündet er Subventionen für »umweltfreundliche« Pkws – pro Neuwagen bis zu 1800 Euro Zinsermäßigung für den Käufer. Damit verschafft er der krisengeschüttelten Autoindustrie einen Konkurrenzvorteil gegenüber den öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad. Vorgesehene Abwicklerin des Programms: Die allseits beliebte Milliardenfresserin KfW.
    Dass Tiefensees Behörde im Jahr 2007 nach der Devise »Der Steuerzahler hat’s ja« mit 13,7 Millionen Euro mehr als jedes andere Ministerium an externe Berater verschleuderte, sagt genug über seine Kompetenz und rundet das Gesamtbild würdig ab.
    Preiswerter sind dagegen die Abgesandten von neun verschiedenen Konzernen und Wirtschaftsverbänden, die von denen bezahlt werden und sogar an Gesetzen mitschreiben sollen. Als zum Beispiel das Umweltministerium im Jahr 2006 für die Anwohner von Flughäfen weitreichende Lärmschutzbestimmungen und ein bundesweites Nachtflugverbot erreichen will, wird der Gesetzentwurf in Tiefensees Ministerium laut
Monitor
deutlich abgeschwächt und verwässert. So meint selbst der frühere Umweltstaatssekretär Rainer Baake (Grüne): »Man hat die Lärmschutzkosten ›erheblich übertrieben‹ und den notwendigen Lärmschutz für die Anwohner der Flughäfen kleingeredet.« Kein Wunder, sitzt doch seit 2001 für die Flughafengesellschaft
Fraport
ein von ihr bezahlter Manager im Ministerium, der sich mit luftrechtlichen Fragen befasst. Ob ihm nun das Urheberrecht

Weitere Kostenlose Bücher