Die Dirne und der Bischof
Schultheiß zu den anderen in die Ratsstube. Passt auf, dass ihm nichts geschieht, aber auch, dass er sich nicht vom Fleck rührt!«
Die Männer grinsten und zwinkerten einander zu. Der Schultheiß schrie und wehrte sich, als sie ihn zu binden versuchten, bis Meister Thürner hinzutrat und seine Hand schwer auf die Schulter des Schultheiß fallen ließ.
»Verhaltet Euch ruhig«, riet ihm der Henker, »dann wird Euch nichts geschehen.« Der Schultheiß schnappte nach Luft und starrte den Henker fassungslos an. Diese Pause nutzten die Wächter, ihm die Hände zu fesseln. An einem Strick führten sie ihn zum Rathaus zurück. Meister Thürner wich nicht von seiner Seite. Die Menge jubelte und folgte dem gefangenen Schultheiß, während die Ratsherren ihren Weg zum Dom fortsetzten.
Die Menschen auf den Plätzen und in den Gassen warteten. Die Anspannung wurde immer deutlicher spürbar. Unruhe breitete sich aus.
»Wie lange sollen wir denn noch warten?«
»Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt?«
Ein paar junge Männer stürmten mit Piken bewaffnet auf den Platz vor das Rathaus. »Nehmen wir die Sache endlich selbst in die Hand, solange wir noch die Herren unserer Stadt sind!«, riefen sie und schwangen ihre Waffen. »Wir haben zwar die Verräter unter den Stiftsherren und den Schultheiß festgesetzt, doch was ist mit dem Schwager des Bischofs und seiner Mannschaft auf der Neuenburg? Meint ihr nicht, sie werden ihr Türlein in der Mauer öffnen, sodass die Belagerer seelenruhig in die Stadt marschieren können?«
Ein Aufschrei wogte durch die Menge. Wut und Angst verwoben sich zu einer gefährlichen Mischung.
»Endlich wachen sie auf«, frohlockte Gret. »Du wirst sehen, heute wird Großes geschehen!«
»Ich weiß nicht, ob das gut ausgehen wird«, wagte Elisabeth zu bezweifeln.
»Nicht für die Männer auf der Neuenburg!«, behauptete Gret voller Zuversicht.
»Bürger von Würzburg, greift zu den Waffen und folgt uns!«, brüllten die jungen Männer, und die Menge fiel in ihren Schlachtruf ein. Schon kamen Unzählige mit Spießen und Heugabeln, mit Dreschflegeln und schweren Prügeln bewaffnet und schlossen sich den jungen Männern an. Der ein oder andere schwang sogar ein Schwert oder trug eine Armbrust über der Schulter. Leitern wurden herangetragen. Die Menschen verbanden sich zu einem wogenden Strom, der durch die Gassen bis vor die Tore der Neuenburg schwappte. Die Bewacher der Burg waren längst gewarnt und hatten ihre Tore bereits verbarrikadiert, als die wütende Menge in der Vorstadt Sand ankam. Es war ihnen sogar gelungen, einen Boten zur Festung hochzuschicken, den einige schnelle Läufer unter den jungen Recken vergeblich einzuholen versuchten. Vorläufig begnügten sich die Bürger, Raban Hofwart und seine Männer zu beleidigen und ihnen zu drohen. Der Schwager des Bischofs ließ den Turm und die Wehren besetzen, gab aber noch nicht den Befehl, auf die Würzburger zu schießen.
Gret tauchte erhitzt und mit roten Wangen neben Elisabeth auf. Irgendwoher hatte sie einen Spieß aufgetrieben und schwang diesen nun wie die anderen Belagerer, und sie fiel in ihren Ruf nach Vergeltung ein. Da begannen die Glocken des Doms zu läuten. Das Volk horchte auf.
»Lasst uns hören, was der Rat und das Kapitel beschlossen haben«, schlug der Viertelmeister der Vorstadt Sand vor. Die Bürger waren einverstanden. Während eine große Anzahl von Bewaffneten vor der Neuenburg Wache hielt, eilten die anderen zum Domplatz zurück, um sich die Entscheidung anzuhören.
»Meinst du, er wird sich dieses Mal an den Vertrag halten?«, fragte Mara.
Die Belagerung der Neuenburg war am nächsten Tag ohne Blutvergießen zu Ende gegangen, die Bürger waren nach Hause gezogen. Bischof Johann hatte Konrad von Weinsberg und zwei andere seiner Ritter zu Verhandlungen in die Stadt geschickt. Sie versicherten, dass an dem Gerücht, ein Kriegsheer würde sich nähern, nichts dran sei und dass der Bischof sich gern wieder mit seiner Stadt und seinem Kapitel vertragen würde.
Der Rat der Bürger und die Domherren waren sich einig, dass sie erst nachgeben würden, wenn alle ihre Forderungen verbrieft und gesiegelt wären. Dem Rat war es wichtig, die Schlüssel zu allen Türmen und Toren zurückzuerhalten und die Neuenburg überantwortet zu bekommen, um sie mit Wachen aus den Reihen der Bürger zu besetzen. Der Schultheiß sollte seines Amtes enthoben und mit seiner Familie der Stadt verwiesen werden. Ein neuer Schultheiß würde
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