Die Dirne und der Bischof
nicht oft vor, dass sie einer Meinung mit ihr war, doch diese Worte erstaunten sie. War Elisabeth doch nicht die einzige unter den Frauen, die wusste, was eine Schlacht bedeutete?
Die Meisterin trat auf Marthe zu, den Schaft der Pike fest umklammert. »Ich sage nicht, dass deine Gedanken falsch sind. Wir Frauen alleine können nichts ausrichten. Aber wenn alle so denken, dann haben wir schon verloren. Wenn wir uns als Teil dieser Stadt sehen - und sei er auch noch so klein und unbedeutend und mit all den anderen kleinen Teilen zur Neuenburg ziehen, dann sehen sich diese wenigen Dutzend Verteidiger einer Macht gegenüber, die ihren Mut vielleicht kühlen und ihren Kampfgeist erlahmen lässt. Und dann kommt die Stunde unserer Männer, die bereits Schlachten geschlagen haben, die Bresche zu nehmen.« Sie wandte sich abrupt um und schritt auf die Tür zu.
»Kommt Mädchen, wir haben in der Vorstadt Sand heute etwas zu erledigen.«
Auch Ester entschied sich mitzugehen, obwohl sie bisher keine Waffe hatte.
Unter der Tür wandte die Meisterin noch einmal den Kopf. »Falls ihr beide es euch doch noch anders überlegt, dann wendet euch an unseren Viertelmeister. Er kann euch vielleicht noch eine Waffe verschaffen.« Dann gingen sie davon. Die Meisterin voran, die Frauen mit ihren Spießen hinter ihr her.
»Narren«, sagte Elisabeth mit einem Seufzer. Sie trat an den Kasten, der neben der Feuerstelle stand, und nahm ein langes Messer heraus, mit dem sie sonst Fleisch und Speck schnitten. Ein zweites hielt sie Marthe entgegen.
»Mit einem Spieß weiß ich sowieso nicht umzugehen. Dennoch hoffe ich, dass ich es nicht brauchen werde.«
Marthe zögerte, dann nahm sie das Messer und wog es in der Hand. »Du willst wirklich mitkämpfen? Ich dachte, du seist ein wenig vernünftiger als die anderen.«
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Nein, kämpfen will ich nicht. Das Messer wäre wohl für mich selbst gefährlicher als für meinen Gegner. Ich will nur wissen, was dort draußen vor sich geht. Ich fürchte, ich halte es nicht aus, nur hier zu sitzen und zu warten, bis sie zurückkehren oder irgendjemand einen Fetzen Neuigkeit vorbeibringt.«
Marthe lächelte spöttisch. »Ah, die Neugier treibt dich an. Keine Kampfeslust oder der Drang, die Stadt zu retten! Na, das ist wenigstens ehrlich -und neugierig bin ich auch.« Sie steckte das Messer in den Gürtel.
»Gehen wir! Wir wollen das Spektakel ja nicht verpassen - auch wenn ich vorhabe, es von einem der hinteren Plätze zu betrachten.«
Als Elisabeth und Marthe am Ausgang der Pfistergasse anlangten, bot sich ihnen ein unglaubliches Bild, das auf die Besatzung der Neuenburg durchaus Eindruck machen konnte. Anders als beim ersten Auflauf vor der Festung versuchten nun die Viertelmeister eine Art Heeresordnung in die aufgebrachte Menge zu bringen. Sie hatten ihre Kontingente der Bürgerwehr in Gruppen aufgestellt und mühten sich nun, dem Rest der bewaffneten Bewohner eine Stellung und eine Aufgabe zuzuweisen. Der Büchsenmeister sammelte zwei Dutzend starke Kerle um sich und wies sie an, ihm zu den Türmen zu folgen.
»Wir brechen die Türen auf und holen uns die Büchsen«, schrie er ihnen über den Lärm der wogenden Menge zu.
»Ihr ladet die Kugeln auf Wagen, und seht zu, dass genug Pulver, Werk und Lunten vorhanden sind.«
Es würde nicht leicht werden, die schweren Kanonen von den Plattformen der Türme herabzuschaffen, aber die Män ner wirkten wild entschlossen. Elisabeth kletterte auf ein Fass und ließ den Blick schweifen. Der Viertelmeister der Vorstadt Sand sammelte gerade eine kleine Gruppe Männer um sich, die einen kampferprobten Eindruck machten.
»Ihr macht die Pleiden fertig und richtet sie auf die Festung aus. Der Bischof soll merken, dass auch er nicht unantastbar ist!«, hörte Elisabeth seine Worte. Die Männer nickten und eilten davon. Bald schon schleuderte die große Wurfmaschine, die auf einer Plattform am Flussufer aufgebaut war, ihr erstes Geschoss zur Festung hoch. Der Kampf war eröffnet.
»In Deckung!«, kreischte Marthe und riss Elisabeth von ihrem Aussichtsposten, dass sie fast der Länge nach in den Straßenschmutz gefallen wäre. Schon sirrten Pfeile und Armbrustbolzen von den Wehrgängen der Neuenburg herab. Die Belagerer schrien auf und drängten sich zurück in Deckung. Die Schützen der Bürgerwehr legten auf den Ruf ihres Weibels an und schossen zurück. Die Burgverteidiger gingen in Deckung und gaben den Würzburgern die
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