Die Dirne und der Bischof
Gelegenheit, sich zurückzuziehen. Zwei Ratsherren in Helm und Brustpanzer eilten herbei und riefen den Menschen zu, sie sollten Barrikaden errichten, hinter denen sie vor den Pfeilen Deckung suchen konnten. Zimmerleute, Kärrner und Knechte wurden losgeschickt, Bretter, Tische, Karren und was sonst noch taugte heranzuschleppen. Dann krachte die erste Kanone, und eine Eisenkugel durchschlug die Häuserwand über Elisabeth und Marthe. Holzsplitter, Lehm und Farbe regneten herab. Geduckt zogen sich die Frauen ein Stück weit in die Gasse zurück.
»Wo sind die anderen? Ich kann sie nicht entdecken«, stieß Elisabeth zwischen zwei Hustenanfällen hervor.
Als sich der Pulverdampf ein wenig gelegt hatte, lugten sie wieder um die Ecke. Der Schuss aus der Büchse hatte keinen großen Schaden angerichtet, aber von den Armbrustbolzen hatten einige ein Ziel gefunden. Mit Kettenhemden oder Brustpanzer gerüstete Männer zogen die Verletzten in den Schutz der Gassen zurück, während die anderen Bürger eifrig an den Barrikaden bauten.
»Dort drüben sind sie«, sagte Marthe. »Ich kann Grets Feuerschopf sehen. Und neben ihr steht Anna.«
Elisabeth warf einen Blick zu den Burgmauern und reckte dann ein wenig den Kopf, um in die angedeutete Richtung zu sehen. Ja, dort drüben waren die anderen, ein Stück weiter in Richtung Sandertor. Und so, wie es schien, waren noch alle wohlauf.
Es trat eine Pause ein. Die Bürger bezogen im Schutz der aufgetürmten Bretter und Möbelstücke ihre Posten, während die Belagerten auf den Wehrgängen sich ihrerseits bemühten, den Schützen der Stadt kein Ziel zu bieten. Unter Anleitung des Büchsenmeisters brachten seine Männer die ersten Kanonen, die sie von den Türmen geholt hatten, in Stellung. Karren mit Munition wurden herangerollt, allerdings so in den Gassen positioniert, dass sie nicht etwa von der Burg aus in Brand geschossen werden konnten. Die Viertelmeister teilten sich die zu bewachenden Abschnitte der Burg auf. Zwei Kontingente verließen die Stadt und verschanzten sichauf der Außenseite des Grabens vor dem Törlein mit dem Steg. Über ihn hätte die Burgbesatzung die Stadt direkt verlassen oder aber Verstärkung erhalten können. Eine gespannte Ruhe legte sich über den Süden der Stadt. Einer der Stadtschreiber kam zu Bürgermeister Bucke gelaufen.
»Der Dompropst bittet Euch und die anderen Ratsherren, sofort zu ihm in den Kapitelsaal zu kommen«, rief er atemlos.
»Was ist gesehen?«, wollte der Bürgermeister wissen. In seiner glänzenden Rüstung sah er fast aus wie ein Junker.
»Der Weinsberger ist gekommen und der Bebenburger. Bischof Johann schickt sie, um zu verhandeln. Das Domkapitel ist bereits vollständig versammelt. Ich soll Euch zur Besonnenheit mahnen, sagt der Propst.«
»Besonnenheit!«, rief Hans Maintaler, der mit seiner Gruppe Männer gleich nebenan stand. »Natürlich wollen sie uns wieder hinhalten, uns überreden, die Waffen niederzulegen und Verträge zu unterschreiben, die der Bischof niemals vorhat einzuhalten. Was kommt als Nächstes? Will er uns zu den Tor- und Turmschlüsseln auch noch unsere Waffen wegnehmen? Seine Ritter durch die Gassen patrouillieren lassen? Nein! Es ist genug! Er muss endlich lernen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen!«
»Sei ruhig, Hans«, beschwichtigte ihn der Bürgermeister. »Wir werden uns nicht wieder vorführen lassen.«
Ratsherr Maintaler plusterte sich auf. Die Spuren seiner Kerkerhaft waren getilgt. Seine Wangen waren wieder rot, der Umfang des Leibes hatte - trotz der Fastenzeit - wieder deutlich zugenommen und spannte sein lederbeschlagenes Wams.
»Ich soll ruhig sein? Ich habe sehr deutlich am eigenen Leib gespürt, was vom Wort dieses Bischofs zu halten ist! Er hat unsere Abordnung, die zu Verhandlungen kam, ohne mit der Wimper zu zucken, in seinen Kerker geworfen, um ein Druckmittel zu haben!«
»Ich weiß, Hans, ich weiß.«
»Ich hatte viele Wochen in seinem stinkenden Verlies Zeit, um über die Vertrauenswürdigkeit unseres Bischofs nachzudenken. Vielleicht sollten wir den Weinsberger und den Bebenburger in den Faulturm werfen? Dann können sie am eigenen Leib erfahren, wie das ist!«
Die Miene des Bürgermeisters verhärtete sich. »Nein, das werden wir nicht tun. Ich kann deine Gefühle verstehen, Hans, aber wir werden den Bischof nicht unnötig reizen. Gerade weil er sich mehr von seinem Temperament als von Aspekten der Vernunft und der Weitsicht leiten lässt. Wir werden auf unsere
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