Die Dirne und der Bischof
berechtigten Forderungen bestehen und sie dieses Mal durchsetzen, aber nicht mehr! Halte du hier die Stellung, und übernimm meine Männer, während ich nicht da bin. Ich regle das mit dem Kapitel.«
Bürgermeister Bucke wandte sich ab und folgte dem Schreiber, der schon ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat.
»Komm, wir gehen zu den anderen«, schlug Elisabeth vor. Hier schien im Moment nichts zu passieren. Allerdings vermieden es die Frauen sorgfältig, von den Mauern aus ins Schussfeld zu geraten. Sie zogen sich in die Gasse zurück und bogen dann in die Sanderstraße ein, die zum nun geschlossenen und streng bewachten Tor führte. Von hier näherten sie sich über eine Seitengasse den anderen Frauen, die bei Else Eberlin warteten.
Der Nachmittag verstrich. Später kam es noch einmal zu einem kurzen Schusswechsel. Der Büchsenmeister ließ das Feuer erwidern und schoss zwei schrittgroße Löcher in die neue Mauer. Durchschlagen konnte er sie natürlich nicht. Dafür hätte er schon größere Kaliber benötigt. Von Bürgermeister Bucke war nichts zu sehen.
»Wir müssen gehen«, bestimmte die Meisterin, als die Sonne hinter der Stadtmauer versank.
»Das ist eine Belagerung!«, schimpfte Gret. »Wir können nicht einfach unsere Spieße nehmen und nach Hause gehen.«
»Doch, das können wir«, entgegnete die Wirtin in einem Ton, der nicht zu Widerspruch riet. »Es gibt Arbeit für euch. Auch in Kriegszeiten wird gegessen, getrunken, geschlafen und gehurt. Wenn diese Belagerung länger andauert, müssen wir Bewohner uns sowieso aufteilen. Jeder wird seine Schicht übernehmen. Was glaubst du, wie schnell sie uns überrumpeln könnten, wenn wir hier alle ausharren und wachen würden, bis wir erschöpft zusammenbrechen? Das wäre keine gute Kriegstaktik!«
Obwohl Elisabeth vermutete, dass es der Meisterin vor allem um ihre Münzen ging, die die Frauen in der Nacht für sie verdienen mussten, waren ihre Worte durchaus klug. Gret zog eine Grimasse, schulterte aber wortlos ihren Spieß und folgte den anderen zum Frauenhaus zurück.
Kapitel 19
Es wird Zeit für einen Sieg«, brummte Else Eberlin missmutig. Die Belagerung dauerte nun schon vier Tage und drei Nächte an, und die Anzahl der Gäste war stetig zurückgegangen. Nun war es bereits dunkel, und noch kein Kunde hatte sich im Frauenhaus gezeigt. Nur der Henker war vorbeigekommen, um zu berichten, dass die Dinge noch unverändert standen. Zweimal hatten die Boten des Bischofs mit dem Kapitel und einigen Ratsherren verhandelt, ohne dass ein Fortschritt erreicht worden war. Die Domherren rieten zu einer friedlichen Einigung und redeten eindringlich auf Hans Bucke und seine Ratsmitglieder ein, aber die Bürgerlichen blieben hart. Der Bischof hatte ihnen die Neuenburg und die Schlüssel der Stadt vertraglich zugesichert, und nun sollte er sich auch daran halten! Unverrichteter Dinge waren die Herren von Weinsberg und Bebenburg zur Festung zurückgekehrt, um dem Bischof vom Fehlschlag ihrer Mission zu berichten. Nun standen sich die beiden Parteien abwartend gegenüber. Seit zwei Tagen war kein Schuss mehr gefallen. Dennoch mussten sich die Belagerten in der Neuenburg im Klaren darüber sein, dass sie in einer Mausefalle saßen, aus der es kein Entrinnen gab, sollte ihnen von außen keine Hilfe zuteil werden. Ohne ihre schützenden Mauern um sich wäre es den Würzburgern ein Leichtes gewesen, sie zu entwaffnen und aus der Stadt zu werfen. Und nun belauerten beide Seiten einander und warteten darauf, was passieren würde.
Der fünfte Tag brach an. Die Bürger, die von den Viertelmeistern eingeteilt worden waren, hielten ihre Posten. Auch Elisabeth, Gret, Jeanne und Anna hockten hinter einer der Barrikaden. Der Vormittag verstrich ereignislos. Anna gähnte. Sie hatte in dieser Nacht nicht viel geschlafen, da ein später Gast ihre Dienste beansprucht und sich dann auch noch als recht anspruchsvoll erwiesen hatte. Nun wickelte sie ihren Umhang enger um sich, lehnte sich gegen die Platte eines aufgestellten Tisches und schloss die Augen. »Ich wusste nicht, dass eine Belagerung so langweilig ist. Weckt mich, wenn etwas passiert!«
Sie musste nicht lange warten. Plötzlich erschien Raben Hofwart, der Kommandant der Neuenburg, auf dem Wehrgang. Zwei Geharnischte standen mit Schilden an seiner Seite und sahen sich aufmerksam um, falls einer der Würzburger es wagen sollte, einen heimtückischen Schuss auf ihn abzufeuern.
»Ich möchte mit demjenigen
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