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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Magen krampfte sich zusammen.
    »Ja, ganz nett, aber ich würde die dort nehmen.« Er deutete auf Jeanne, die gerade hinter einem der Wandschirme hervorgetreten war.
    »Einverstanden«, sagte der Dünne und lächelte wieder auf diese unheilvolle Weise. Elisabeth war froh, so knapp entkommen zu sein, und schämte sich gleichzeitig ihrer Erleichterung. Nun musste Jeanne ihnen zu Diensten sein.
    »Wir werden sie mit rausnehmen. Hier drinnen ist es uns zu voll und zu laut«, sagte Heinz. Er warf der Wirtin einen schnellen Blick zu.
    Else Eberlin zog eine saure Miene. Das war ihr gar nicht recht! Sie hatte die Kunden und ihre Mädchen lieber unter ihrer Aufsicht. »Ihr seid zu zweit?«
    »Wie du siehst«, bestätigte der Bärtige.
    »Wenn ihr sie beide haben wollt, dann müsst ihr auch zweimal bezahlen. Außerdem will ich das Geld im Voraus, wenn ihr sie mit hinausnehmt.«
    Der Bärtige schimpfte, der Dünne spuckte auf den Boden. »Wenn das so ist, dann nehmen wir uns noch eine mit.«
    Die Meisterin nickte und winkte Anna heran, die an diesem Abend bisher die wenigsten Gäste bedient hatte. Else streckte die Hand aus und ließ sich die Pfennige in die Hand zählen. Die Männer steckten ihre Münzbeutel wieder ein und schoben die beiden Frauen ins Freie. Else machte ein unglückliches Gesicht und starrte noch eine ganze Weile auf die Tür, obwohl sie sich längst hinter ihnen geschlossen hatte. Dann gab sie sich einen Ruck und trat an den Tisch, um zu sehen, ob einer ihrer Gäste - deren Drang bereits befriedigt war - vielleicht mehr Wein bräuchte oder etwas zu essen wünschte.
    Elisabeth kümmerte sich um den alten Volck, einen Müller, der sich mit seinen zwei Söhnen die Arbeit in der Mühle teilte. Plötzlich war draußen ein Schrei zu hören, der Schrei einer Frau. Schnelle Schritte näherten sich dem Haus. Die Tür wurde aufgerissen, und Anna stürzte herein. Ihr Haar hing ihr wirr ins Gesicht, derÄrmel ihres Hemdes war aufgerissen und ihr Mieder offensichtlich mit einem Messer aufgeschnitten worden. Sie schrie noch einmal und fiel dann, von einem Schluchzen geschüttelt, auf die Knie. Die Frauen und ihre Kunden sprangen auf und starrten das Mädchen an. Else fasste sich als Erste und stürmte auf sie zu. Sie schüttelte sie grob an der Schulter.
    »Was ist passiert? Sprich! Ich will genau wissen, was passiert ist.«
    Anna schluchzte hysterisch. Sie legte den Kopf in den Nacken. Ihr langes Haar schwang zurück und entblößte ihr Gesicht. Elisabeth und Ester stießen beide gleichzeitig einen Schrei des Entsetzens aus. Ester sprang von der Bank und lief zu Anna. Sie kniete sich neben sie und umschlang sie mit den Armen.
    »Ach, meine arme Kleine. Nicht auch noch du«, weinte sie. »Du darfst nicht so leiden müssen wie ich damals!«
    Annas linkes Auge war blutunterlaufen und begann bereits zuzuschwellen. Ihre Nase hatte offensichtlich einen derben Schlag abbekommen, und auch die Lippe war aufgeplatzt. Ein Blutfaden rann aus ihrem Mundwinkel über Kinn und Hals bis in ihr zerrissenes Dekolleté hinab.
    »Wo sind diese Bastarde?«, rief die Meisterin. »Was ist mit Jeanne? Sprich!« Sie schüttelte sie, ohne auf Esters Proteste zu achten.
    »Drüben auf dem Judenfriedhof. Sie haben Jeanne gefesselt. Alle haben Messer bei sich!«, schluchzte Anna. »Sie haben auch mich angebunden, aber ich konnte mich befreien und weglaufen, weil - sie haben nicht auf mich geachtet. Sie waren bei Jeanne.« Anna weinte hemmungslos. »Meisterin, sie werden Jeanne töten!« »Das werden sie nicht! Ich hole sie zurück.« Elisabeth hatte die Eselswirtin schon oft wütend erlebt, doch nun zitterte sie vor Zorn. Sie griff sich ihren alten Spieß, der neben der Wand lehnte, und stapfte hinaus. »Das werden sie nicht mit meinem Mädchen machen!«
    »Meisterin, nein!«, schrie ihr Anna hinterher. »Es sind vier! Vier Männer!«
    Doch Else Eberlin ließ sich nicht aufhalten. Ihr Zorn trieb sie an und führte sie mit festem Schritt auf den Judenfriedhof. Die Frauen drängten sich an der Tür zusammen und sahen ihr mit bangen Mienen nach. Die letzten Gäste nutzten die Gelegenheit, sich still davonzumachen. Die Stimmung war verdorben und der Abend weit fortgeschritten. Es wurde Zeit, zu ihren Familien zurückzukehren und ihr Lager aufzusuchen.
    »Sie werden auch unsere Meisterin töten«, schluchzte Anna.
    »Wir können sie nicht alleine zu diesen Männern gehen lassen«, rief Elisabeth.
    »Und was willst du tun? Mit deinem Brotmesser auf sie

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