Die Dirne und der Bischof
Nachtgeschirr,ansonsten blieben Elisabeth nichts als ihre wirren Gedanken und Gefühle. Und die Ängste, die wie Unkraut zu wuchern begannen.
Am dritten Abend kam Fritz Hase wieder alleine zu ihr und verkündete, sein Herr habe ihm aufgetragen, ihr zu sagen, dass sie hier wohnen bleiben würde, sich abernicht vom Hof entfernen dürfe. Am besten bliebe sie in ihrer Kammer, fügte er hinzu und wollte schon wieder gehen, doch Elisabeth griff nach seinem Ärmel. Entrüstet machte er sich los.
»Ich kann nicht nur in dieser Kammer sitzen! Ich muss mich mit etwas beschäftigen. Bitte, ich kann arbeiten. Warum lässt er mich nicht den Mägden zur Hand gehen?« Der Blick, den er über sie wandern ließ, war ihr unangenehm, aber sie senkte nicht die Lider.
»Davon hat der Herr nichts gesagt«, sagte Fritz Hase brüsk.
Er schloss die Tür und ließ sie allein zurück. Elisabeth schwankte zwischen Wut und Verzweiflung. Was bildete sich der Domherr ein? Sie war nicht seine Gefangene! Er konnte sie nicht ewig in diesem Zimmer einschließen. Nun ja, streng genommen hatte er sie nicht eingeschlossen. Es blieb ihr frei, die Tür zu öffnen und hinauszugehen.
Wenn du dich nicht nach seinen Wünschen richtest, dann ist es das gute Recht des Hausherrn, dich auf die Straße zurückzuschicken, mahnte eine Stimme.
Wünsche? - Befehle!, wütete eine andere dagegen.
Du bist eine Ehrlose, eine Ausgestoßene, die nicht zu dieser Gesellschaft Würzburgs gehört. Warte wenigstens ab, was er dir anbietet!
Was konnte das schon sein? Ein Leben wie eine Gefangene. Versteckt in einer Kammer. Dann lieber die Straße!
Bist du sicher? Das ist leicht gesagt, wenn man satt und warm auf einem Federk issen liegt!
So wogten die Gedanken und Gefühle hin und her, während zwei weitere Tage verstrichen. Endlich ließ der Domherr sie holen. Mit bangen Gefühlen folgte Elisabeth dem krummbeinigen Diener, der sie in das Gemach des Domherrn führte und dann die Tür von außen schloss. Hans von Grumbach saß an seinem Sekretär und schrieb etwas. Es war ihm in keiner Weise anzumerken, dass er Elisabeth überhaupt bemerkt hätte. Sie wartete eine Weile, dann räusperte sie sich.
»Zu dir komme ich gleich«, sagte er, ohne in seinem Schreiben innezuhalten. Endlich setzte er seinen Namen unter den Brief, streute etwas Sand darüber und versiegelte das Schreiben. Dann erst schob er seinen Stuhl zurück und wandte sich zu Elisabeth um, die versuchte, ihre Ungeduld zu verbergen.
»Ich habe über dich nachgedacht und eine Entscheidung gefällt«, sagte der Domherr. »Zieh dich aus!«
»Was?«
»Du sollst deine Kleider ausziehen!«
Die Worte kamen so unerwartet, dass Elisabeth meinte, sich verhört zu haben. So war das also. Was hatte sie erwartet? Sie war eine Dirne und als solche würde er sie auch behandeln. War das nicht ein guter Tausch, diesem edlen Herrn zu dienen, statt jeden Abend einem anderen schmutzigen Wächter oder Handwerker? Und dennoch fühlte sich die Enttäuschung wie ein plötzlicher Schlag in den Magen an. Dabei sah er gar nicht aus wie ein Mann, dessen Blut vor Lust in Wallung geratenwar, so kalt und unbeweglich seine Miene noch immer erschien. Langsam begann Elisabeth die Bänder zu lösen, schob die Ärmel herab und ließ den Rock zu Boden gleiten. Als sie ihr Hemd über den Kopf ziehen wollte, hob er plötzlich die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten.
»Das kannst du anlassen. Die anderen Sachen stopfe in den Sack dort auf dem Tisch.«
»Warum?«
»Um sie zu verbrennen«, sagte der Domherr, als wundere er sich über ihre Frage. »Ich halte es nicht für gut, wenn du in meinem Haus das Zeichen der Schande so offen zur Schau trägst. Dort drüben in der Truhe findest du einige Kleider, die dir hoffentlich zusagen werden. Wähle dir eines aus, und zieh es an. Die anderen kannst du mit auf dein Zimmer nehmen.«
»Ich soll Euch nicht zu Diensten sein? Ich meine jetzt - hier?«
Domherr von Grumbach sah sie verständnislos an. Dann folgte er ihrem Blick zu seinem Himmelbett hinüber.
»Nein, das sollst du nicht«, sagte er grimmig. »Ich möchte lediglich vermeiden, gelben Bändern in meinem Haus zu begegnen.«
Elisabeth öffnete die Truhe und nahm sich das oberste Gewand heraus. Es war ein gut geschnittenes Kleid aus dickem, weinrotem Tuch, das mit ein wenig mehr Spitze oder Schmuck einer reichen Bürgersfrau angemessen gewesen wäre. Rasch schnürte sie die Bänder und nahm dann eine passende Haube mit einem Samtband und einem
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