Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
und sah Elisabeth so eindringlich an, dass sie den Blick senken musste.
    »Gesprochen ja, aber erfahren hat er nichts. Er steht genauso vor einem Rätsel wie ich selbst. Meister Thürner hat mir versichert, solch einen Fall bei der Eselswirtin noch nicht erlebt zu haben.«
    Hans von Grumbach nahm seine Wanderung wieder auf. Elisabeth dagegen saß mit geradem Rücken auf dem Stuhl, die Hände im Schoß gefaltet. Nur ihr Blick folgte aufmerksam dem Domherrn. Unvermittelt blieb er vor ihr stehen und beugte sich herab.
    »Wer bist du? Wo kommst du her?«
    »Ich weiß es nicht! Das habe ich Euch bereits gesagt. Ich kann mich an nichts erinnern, was vor dem Tag im vergangenen Frühjahr liegt, an dem ich im Frauenhaus bei Meisterin Else aufgewacht bin.«
    »An nichts? Wirklich gar nichts?« Forschend sah er sie an. Für einen Moment erwog Elisabeth, ihm von ihren Träumen und dem schönen, jungen Ritter zu erzählen, dessen Stimme sie auf dem Domplatz wiedererkannt hatte. Aber sie verwarf den Gedanken und schüttelte stattdessen den Kopf.
    »An gar nichts!«
    »Außer an deinen Namen. Oder hat die Eselswirtin ihn dir gegeben?«
    Elisabeth überlegte. »Sie nannten mir einige Namen, doch diese haben mir nichts bedeutet. Bei Elisabeth schien eine Saite in mir zu klingen. Es war mehr ein Gefühl als eine Erinnerung, und dann sagten sie, das würde passen, wäre das Haus doch einst zur Hilfe bedürftiger Frauen errichtet und Elisabethenhaus genannt worden.«
    »So war das also«, sagte der Domherr und richtete sich wieder auf.
    »Und was geschieht nun?«, wollte Elisabeth wissen. »Die Nacht ist hereingebrochen, und ich muss mir einen Platz zum Schlafen suchen.«
    »Ich weiß. Deshalb bist du doch hergekommen, oder? Ich kann dir noch nicht sagen, wie es mit dir weitergehen soll. Ich muss erst darüber nachdenken. Bis dahin werde ich dir eine Kammer und zu essen geben lassen. Komm mit. Ich führe dich.«
    Zwei Treppen mussten sie hinaufsteigen, ehe sie die Kammer unter dem Dach erreichten. Dennoch war sie größer und bequemer eingerichtet, als Elisabeth es erwartet hätte. Sie schien eher für Gäste als für Dienstboten gedacht, wenn auch sicher nicht für Domherren oder päpstliche Legate.
    »Bleibe hier, bis ich dich rufen lasse. Du findest hier alles, was du brauchst. Ein Diener wird dir dein Essen bringen.«
    Mit diesen Worten ließ er sie allein. Elisabeth sah sich um. Das Bett war breit, hatte eine gute Matratze und war mit Daunenkissen und sauberen Decken belegt. Unter dem Fenster stand eine Truhe und gegenüber auf der anderen Seite eine schwere Kommode. Auf den Brettern, die darüber an der Wand befestigt waren, standen einige Teller und Zinnbecher. Ein Mann brachte ihr zu essen und einen Wasserkrug, doch offensichtlich hatte er die Anweisung, nicht mit Elisabeth zu sprechen. Sie betrachtete den kleinen Mann mit den krummen Beinen. Sein Gesicht war schmal, die Vorderzähne ungewöhnlich lang. Der Ausdruck in seinen Augen gefiel Elisabeth nicht. Er hatte etwas Lauerndes, Verschlagenes. So wie der Mann sie musterte, erinnerte er sie an eine Ratte. Unwillkürlich zog sich Elisabeth bis an die Wand zurück, als er ihr Tablett auf der Truhe abstellte.
    »Danke. Hat der Herr Domherr gesagt, wie es nun weitergeht?«, zwang sie sich zu fragen, obwohl sie sich nur wünschte, er würde das Zimmer verlassen. Der Knecht schüttelte stumm den Kopf.
    »Wie heißt du?«, fragte sie, als er schon zur Tür ging.
    »Fritz Hase«, sagte er. »Und ich bin der persönliche Diener und Vertraute des Herrn«, fügte er stolz hinzu, um ihr seine Wichtigkeit vor Augen zu führen. Elisabeth bezweifelte, dass dies der Domherr ebenso sah. Fritz Hase schloss die Tür hinter sich. Seine Schritte verklangen. Elisabeth setzte sich auf das Bett. Sie aß und trank, ohne recht zu merken, was sie verzehrte. In ihrem Kopf kreiste nur die eine Frage: Wie würde er sich entscheiden? Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie an einem Wendepunkt angelangt war. Doch in welche Richtung würde der neue Weg sie führen?
    »Vom Fegefeuer direkt in die Hölle «, flüsterte eine gehässige Stimme in ihrem Kopf, die sich nur schwer zum Schweigen bringen ließ.
     

Kapitel 22
    Zwei Tage vergingen, ohne dass sich der Domherr sehen ließ. Eine Magd begleitete nun Fritz Hase. Sie starrte Elisabeth voll Neugier an, wagte aber in Anwesenheit des rattengleichen Dieners offensichtlich nicht, den ungewöhnlichen Gast anzusprechen. So brachte sie ihr nur stumm das Essen und leerte ihr

Weitere Kostenlose Bücher