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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Streitpunkt war Elisabeth im Augenblick gleichgültig. Die Frage, die sie beschäftigte, war: Erinnerte sich der hohe Kirchenmann noch an seine so leichtfertig dahingesagten Worte? Und selbst wenn, würde er zu ihnen stehen?
    Elisabeth war den ganzen Tag wieder durch die Stadt gestreift. Nun, da die Nacht nahte, brachte sie es nicht über sich, Meister Thürner noch einmal aufzusuchen. Vielleicht war es dumm von ihr, die einzige helfende Hand nicht zu ergreifen, aber alles in ihr sträubte sich gegen den Weg nach Nürnberg, der sie nur in ein anderes Frauenhaus führen würde.
    Aber führte der Weg, den sie nun eingeschlagen hatte, überhaupt irgendwo hin? Oder war er eine Sackgasse - eine sehr kurze Sackgasse, die an diesem eisenbeschlagenen Tor endete? Es wurde Zeit, dies herauszufinden! Elisabeth hob den eisernen Klopfer und ließ ihn gegen das Holz fallen. Sie lauschte dem dumpfen Dröhnen, und als nichts geschah, klopfte sie noch einmal. Der Mann, der ihr öffnete, war nach seiner Kleidung zu schließen einer der Knechte des Domherrn.
    »Ja? Was willst du?«
    »Ich möchte mit Domherrn von Grumbach sprechen.«
    Elisabeth hatte nicht erwartet, dass es leicht werden würde, zu dem hohen Kirchenmann vorgelassen zu werden, doch nun redete und bettelte sie schon eine Ewigkeit, und keine der Dienstmägde und keiner der Knechte, die sich inzwischen um sie versammelt hatten, wollte sie auch nur bis zur Schwelle des Hauses vorlassen, in dem der Herr seine Privatgemächer hatte.
    »Bitte, der Herr hat gesagt, ich dürfe bei ihm vorsprechen!«, beharrte Elisabeth.
    »Jetzt ist es aber genug!«, ereiferte sich eine ältliche Magd.
    Der Knecht, der ihr geöffnet hatte, versuchte, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen, doch Elisabeth trat beherzt einen Schritt vor.
    »Was ist denn das für ein Aufruhr?« Die Stimme ließ alle herumfahren. Elisabeth fühlte, wie sich die feinen Härchen an ihren Armen und Beinen aufrichteten. Sie unterdrückte einen Schauder. Langsam wichen die Mägde und Knechte zur Seite und gaben Elisabeth den Weg frei. Wie in Trance trat sie auf den Domherrn zu, der sie mit unbeweglicher Miene ansah. Wie groß er war. Wie gerade er sich hielt. Wie edel seine Gesichtszüge waren. Seine tiefblauen Augen schienen ihr bis in die Seele sehen zu können. Wieder rann ein Schauder über sie hinweg, und es war ihr, als müsse sie auf der Stelle kehrtmachen und davonlaufen, so weit sie ihre Füße trugen. Wer konnte vor diesem Blick bestehen? Dennoch ging sie Schritt für Schritt weiter, obwohl es ihr vorkam, als würde sie durch Honig waten. Noch immer sprach er kein Wort. Nur seine linke Augenbraue wanderte ein wenig nach oben. Elisabeth fühlte plötzlich Zorn in sich, und der gab ihr den Mut zu sprechen.
    »Domherr von Grumbach, als wir uns begegnet sind, sagtet Ihr, ich könne nach Euch fragen, wenn es die Situation erfordert.«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe«, erwiderte er kühl.
    »Nun, die Situation erfordert es!«, stieß Elisabeth hervor und sah trotzig zu ihm auf. Die Augenbraue wanderte noch ein Stück weiter nach oben.
    »So? Nun, dann komm herein, und berichte mir über diese Situation, die dich hierhergeführt hat. Mein Interesse ist geweckt!«
    Der Domherr kümmerte sich nicht um die erstaunten Gesichter ringsherum. Er schien sie nicht einmal zu bemerken, als er vor Elisabeth zum Haus zurückschritt.
    »Und was hast du dir nun vorgestellt?«, fragte der Domherr, als sie ihre Geschichte beendet hatte.
    Elisabeth hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich habe einfach keinen Ausweg gesehen, und da fielen mir Eure Worte ein.«
    »Und du kannst dir nicht erklären, woher der plötzliche Sinneswandel deiner Meisterin rührt? Scheue dich nicht, mir alles zu sagen! Ich werde dich nicht verurteilen, was du auch angestellt hast!«
    Elisabeth schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe nichts getan! Der Legat war sicher wieder zufrieden mit mir. Jedenfalls hat er keine Wünsche geäußert, die ich ihm nicht erfüllt hätte. Die Eröffnung der Meisterin kam wie aus heiterem Himmel.«
    Sie saß mit dem Domherrn alleine in einem kleinen, aber erlesen eingerichteten Schreibzimmer. Nun sprang Hans von Grumbach auf und begann ruhelos auf und ab zu gehen.
    »Und sie hat gesagt, du sollst die Stadt verlassen?«
    »Ja, das schien ihr wichtig zu sein. Das hat sie auch noch einmal zu Meister Thürner gesagt.«
    »Ach? Der Henker weiß Bescheid? Deine Meisterin hat mit ihm darüber gesprochen?« Er blieb stehen

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