Die Dirne und der Bischof
Möglich. Dennoch verstand Elisabeth nicht, was der Propst sich davon versprach. Der Auftrag war denkbar einfach - für eine Dirne, die nicht nur Erfahrung mit Handwerksburschen hatte! Ein Spiel der Leidenschaft im Dunkeln. Nun gut, wenn es dem Herrn gefiel, sollte er es haben. Aber warum? Sie wusste, dass sowohl Domherr von Grumbach als auch der Propst und ein Dutzend anderer Domherren nicht auf der Seite des Bischofs standen und ihn mit allen ihnen zur Verfügungstehenden Mitteln bekämpften. Seine Lebensart, seine Raffgier, all das hatte das Fass schon vor langer Zeit zum Überlaufen gebracht. Die Domherren wollten mit Unterstützung der Bürger und des Rates ihre Interessen durchsetzen und Würzburg und das Stift von den bedrückenden Schulden befreien. Auf der anderen Seite war es dem Bischof gelungen, einige Männer des Kapitels auf seine Seite zu ziehen. Selbst der Bruder des Propstes sollte unter diesen Domherren zu finden sein. Es waren weniger als in der Partei von Bischof Johanns Gegnern, doch bereits erschreckend viele, wie Domherr von Grumbach es formuliert hatte. Dass die neue Loyalität mit klingender Münze erkauft war, daran ließ er keinen Zweifel. Genauso wenig wie an seiner Abscheu dem Bischof gegenüber. Und genau deshalb konnte Elisabeth nicht begreifen, was gerade vor sich ging. Wollten der Propst und seine Anhänger den Bischof durch dieses Geschenk milde stimmen? So einfältig konntensie nicht sein. Er würde es nehmen, vielleicht ein Wort des Dankes verlieren, aber dem Domkapitel nicht den kleinsten Schritt entgegenkommen! Überhaupt, was war das für ein Geschenk? Sie wusste von der Unmoral des Bischofs, seinen Mätressen und unehelichen Kindern, doch dies war nichts, das man öffentlich anmerken oder worauf man sich berufen konnte. Warum also fuhr sie nun in einer Kutsche in den Hof der Festung »Unser Frauenberg« ein?
Der Kutscher wechselte ein paar Worte mit den Wachtleuten, dann winkten sie ihn weiter über die Brücke und durch die beiden Tore in den inneren Hof. Mit einem Ruck kam die Kutsche vor den breiten Stufen, die zum Festsaal hinaufführten, zum Stehen. Der Kutscher sprang auf den Boden und öffnete Elisabeth den Schlag.Sie fühlte sich ganz schön durchgeschüttelt und schob die Übelkeit und das Stechen hinter ihren Schläfen auf die Fahrt. Bequem war die Reise in einer Kutsche jedenfalls nicht!
Wie angewiesen, zog sich Elisabeth den Schleier bis über das Kinn und ließ sich dann von einem Dienstboten, der sie bereits erwartete, zu den privaten Gemächern führen. Es brannten nur zwei Kerzen. Das Feuer im Kamin war zu einem Häufchen Glut zusammengefallen. Neugierig sah sich Elisabeth um. Dies war also das Schlafgemach Bischof Johanns II. von Brunn. Wie edel und prächtig alles trotz des trüben Lichts aussah. Sie berührte eine vergoldete Porzellanfigur auf demKaminsims. Ihre Übelkeit verstärkte sich. Ihr Kopf begann zu dröhnen. Dann fühlte es sich an, als würden ihr heiße Nadeln durch die Stirn gestochen. Elisabeth krümmte sich zusammen. Was war nur mit ihr los? Sie würde sich doch nicht etwa über die Brokatdecken des Bischofs erbrechen? Was würde Domherr von Grumbach sagen? Es war ihr, als könne sie seinen kalten Blick auf sich spüren. Nein! Er hatte so viel für sie getan. Ohne ihn wäre sie längst in Nürnberg in einem anderen Frauenhaus oder irgendwo auf der Landstraße verloren und vergessen worden. Sie musste diesen Auftrag für ihn erledigen. Anständig erledigen! Elisabeth ließ sich auf eine gepolsterte Bank sinken und schloss die Augen. Sie versuchte tief ein- und auszuatmen und die Verkrampfung in ihrem Magen zu lösen. Nun wurde sie der Gerüche gewahr. Seltsam fremde und doch vertraute Gerüche, die eine Flut unzusammenhängender Bilder heraufbeschworen. Elisabeth schwankte. Ihr wurde schwindelig. Hilfe suchend umklammerte sie das Medaillon um ihren Hals. Es gab ihr Trost und beruhigte die flatternden Nerven. Ihre Finger rieben über den geschliffenen Edelstein. Ihr Fingernagel schob sich in die Vertiefung.
Draußen waren Schritte zu hören. Elisabeth fuhr auf. Sie hatte ganz vergessen, die Kerzen zu löschen und sich auszuziehen. Für das Zweite war es jetzt zu spät! Sie eilte zu dem Kerzenhalter und blies die Flammen aus. Elisabeth hatte gerade noch Zeit, die Haube mit dem Schleier abzunehmen und ihr aufgestecktes Haar zu lösen, als sich die Tür öffnete und eine männliche Gestalt einließ. Ein schwacher Lichtstrahl flutete durch das
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