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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Gemach. Elisabeth erhaschte die Silhouette eines massigen Mannes in roten Lederschuhen, gelben Strümpfen und einem pelzverbrämten Gewand aus besticktem Samt. Noch ehe sie sein Gesicht wahrnehmen konnte, schloss sich die Tür mit einem Klicken und hüllte das Gemach in Dunkelheit. Nur der Schimmer der Glut ließ noch ein paar Umrisse erahnen. Elisabeth richtete sich auf, die Hände nervös hinter dem Rücken verschränkt, und wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte. Was erwartete ein Bischof von ihr?
    Er ist auch nur ein Mann, der geherzt und aus seinen körperlichen Zwängen befreit werden will.
    Zögernd trat sie auf ihn zu. Inzwischen mussten sich seine Augen ebenfalls an die Dunkelheit gewöhnt haben, denn er wandte sich in ihre Richtung und kam ihr entgegen. Schwer legten sich seine Hände auf ihre Oberarme.
    »Sie haben mir eine ganz besondere Überraschung versprochen«, wisperte er heiser. Sie spürte seinen raschen Atem, der sicher nicht nur von der Anstrengung, die wenigen Treppenstufen zu erklimmen, beschleunigt wurde.
    Er tastete über ihr Haar, ihr Gesicht hinab zu ihrem Dekolleté und dann über die Taille und Hüfte.
    »Ah, welch schönes Haar, welch straffe Haut. Du bist jung und schlank wie ein Reh. Und auch ein wenig scheu? Weißt du, ich liebe Rehe. Der Blick aus ihren Augen berührt mich, wenn sie erkennen, dass ihr Ende gekommen ist. Ich würde dir auch gern in die Augen sehen. Sind sie braun wie die der Rehe? Sag es mir. Ich möchte es wissen.«
    Elisabeth sagte nichts. Sein heißer Atem verstärkte ihre Übelkeit wieder, und sie fürchtete, jeden Augenblick das Bewusstsein zu verlieren. So schlimm war es nicht einmal bei Junker von Thann gewesen, und er hatte ihr die Jungfräulichkeit genommen!
    »Du schweigst? Gehört das auch zu dem Spiel? Nun gut, dann werde ich dich hinterher betrachten und mich an deinem Anblick weiden. Nun komm, und hilf mir aus diesen Kleidern. Meine Lust drückt mich schmerzlich. Ich verzehre mich nach deinem jungen Fleisch!«
    Mit zitternden Fingern begann sie ihn zu entkleiden, während der Bischof sie unbeholfen tätschelte. Dann schlang er die Arme um sie und zog sie so stürmisch an sich, dass sie beide aufs Bett fielen. Er stöhnte und versuchte sie aus ihren Kleidern zu befreien, als das Medaillon in seine Hand glitt. Er hielt mitten in der Bewegung inne. Elisabeth versuchte, sich von ihm herunterzuwälzen, doch seine zweite Hand krallte sich in ihren Arm.
    »Was ist das?«, fragte er mit normal lauter Stimme. »Ich glaube, ich kenne dieses Schmuckstück! Woher hast du das?«
    Die Wogen, die sich am Rand ihres Bewusstseins aufgeschaukelt hatten, seit die Kutsche die Zugbrücke überquert hatte, schlugen mit aller Macht über ihr zusammen. Elisabeth stieß einen Schrei aus, der selbst in ihren eigenen Ohren schmerzte. Mit ungeahnten Kräften riss sie sich los. Das Medaillon entglitt seiner Hand. Sie fiel vom Bett, rappelte sich auf und taumelte noch immer schreiend zurück.
    »Beim Herrn im Himmel, was hast du denn?«, rief der Bischof, doch Elisabeth schrie weiter. Sie lief zur Tür, riss sie auf und rannte den Gang entlang davon.
     

Kapitel 23
    Elisabeth rannte Gänge entlang, Treppen hinauf und hinunter. Zwei junge Ritter standen in einer Nische und starrten sie entgeistert an, stellten sich ihr aber nicht in den Weg. Ein Teil ihres Geistes sagte ihr, dass sie sie kannte und dass ihre Namen Seitz von Kere und Bernhard von Seckendorf waren. Elisabeth konnte nicht stehen bleiben. Sie wollte nicht stehen bleiben! Längst hatte sie aufgehört zu schreien, denn die Luft brauchte sie, um weiterzulaufen. Mit einer Hand umkrallte sie das Medaillon, die andere streckte sie nach vorn, um mögliche Hindernisse zur Seite zu stoßen. Sie kam an offenen Türen vorbei, passierte Diener, die ihr erstaunt nachsahen. Niemand versuchte sie aufzuhalten. Doch so schnell sie auch lief, den Erinnerungen, die plötzlich über sie hereinbrachen, entkam sie nicht. Die Fluten brachen den Damm und überschwemmten ihren Geist mit Bildern von Orten und Menschen, mit Gesprächsfetzen und Gefühlen. Ihr keuchender Atem wurde zu einem Schluchzen. Elisabeth musste das Schmuckstück nun nicht mehr öffnen, um zu wissen, was es enthielt. Sie sah die beiden Bilder vor sich. Winzige Portraits. Auf der linken Seite war ihr eigenes Gesicht abgebildet, wie es vor fünf Jahren ausgesehen hatte, und auf der rechten Seite prangte das Konterfei des Bischofs Johann von Brunn. Auch die Inschrift, die

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