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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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beide Bilder umrahmte, stand ihr klar vor Augen: »Möge der Herr meine geliebte Tochter beschützen.«
    Die Tochter des Bischofs!, hämmerte es in ihrem Kopf, doch es wollte keine Freude aufkommen. Das böse Zischen war wieder da und rief: Die Dirne des Bischofs! Herr im Himmel! Elisabeth musste fliehen, von der Festung verschwinden, ehe sie jemand erkannte. Nun wurde ihr so einiges klar. Die Meisterin musste es irgendwie herausgefunden haben. Hatte sie das Medaillon geöffnet? So wurde ihre Reaktion plötzlich verständlich.
    Und Domherr von Grumbach? Wusste er ebenfalls Bescheid? Aber hätte er sie wissentlich auf die Festung in die Arme ihres eigenen Vaters geschickt?
    Der Bischof mit seiner eigenen Tochter in unzüchtiger Vereinigung! Die Kirche mochte über viele Dinge hinwegsehen, über Prunk und Verschwendungssucht, Mätressen und Bastarde, doch Unzucht mit dem eigenen Kind war nichts, das der Papst mit einem Augenzwinkern hinnehmen würde. Vor allem jetzt, da die Zeit der Gegenpäpste vorbei und der sündhafte Alexander Vergangenheit war. Die Kirche war dabei, sich zu erneuern, und strebte Reformen an.
    Das war es! Elisabeth blieb unvermittelt stehen. Das war die Erklärung. Natürlich hatte er sie erkannt, vermutlich schon bei ihrer ersten Begegnung im Haus des Propstes. Hans von Grumbach hatte mehr Phantasie bewiesen als der alte Propst, der nicht einmal auf den Gedanken gekommen wäre, in der Dirne aus dem Frauenhaus die verschwundene Tochter des Bischofs wiederzufinden. Hans von Grumbach jedoch hatte einen scharfen Blick und einen noch schärferen Verstand. Schon an jenem ersten Morgen war ihm das Medaillon aufgefallen. Er hatte geschickt seine Fragen gestellt, bis er sicher sein konnte. Und als der Zufall Elisabeth in seine Hände spielte, hatte er die Waffe wohl verwahrt, bis sich die rechte Gelegenheit fand, sie einzusetzen.
    Elisabeth setzte ihren Weg langsamer fort. Sie bemerkte, dass sie wieder in dem Korridor war, der zur großen Freitreppe führte. Sollte sie es wagen oder war das Risiko zu groß, dort jemanden anzutreffen, der versuchen würde, sie aufzuhalten? Sie sah an sich herunter. Nichts an ihrer Kleidung ließ den Zweck ihres Besuchs vermuten. Leider lag der Schleier noch im Gemach des Bischofs. Egal. Sie würde es versuchen. Je schneller sie die Festung verließ, desto besser. Hoffentlich würden sich die Wachen an den Toren ihr nicht in den Weg stellen. Was danach mit ihr geschehen würde, darüber machte sie sich vorerst keine Gedanken. Zuerst musste sie weg von diesem Ort, der sie mit seinen Erinnerungen überschüttete.
    Elisabeth bog auf den Treppenabsatz ein und raffte gerade die Röcke, um die Stufen hinunterzueilen, als zwei Männer vom großen Saal her ebenfalls auf den Absatz hinaustraten.
    »Elisabeth?« Ungläubiges Erstaunen lag in der Stimme. Dann schien er sich sicher. »Elisabeth!«
    Sie erkannte die Stimme des jungen Ritters sofort, der nun auch wieder einen Namen hatte: GrafAlbrecht von Wertheim.
    »Das ist doch nicht möglich!«, rief sein älterer Bruder Johann, der neben ihm aus dem Saal getreten war.
    Da der Boden sich nicht vor ihren Füßen auftat, um sie in ihrer Scham zu verschlingen, wandte Elisabeth den Kopf zur Seite und lief weiter. Sie stolperte und wäre auf der Treppe fast gefallen, fing sich aber im letzten Augenblick wieder und hastete weiter. Zwischen Basilika und der hohen Warte hindurch, immer das Tor vor Augen. Sie wusste, dass sie sich die schnellen Schritte hinter sich nicht einbildete. Er lief ihr hinterher. Wie sollte sie diesen Wettlauf gewinnen?
    »Elisabeth! So bleib doch stehen!«
    Er war schon ganz nah. Sie versuchte, noch schneller zu laufen, aber ihre Brust schmerzte so sehr. Da umfing sie sein Arm und riss sie beinahe von den Füßen.
    »Elisabeth! Kann es denn wahr sein?« Er drehte sie zu sich herum und betrachtete sie im Schein der Fackel, die neben dem Eingang zur hohen Warte befestigt war.
    »Mehr als ein Jahr ist ohne ein Wort von dir vergangen. Willst du es mir nicht erklären?«
    Auch sie betrachtete sein Gesicht. Die schönen, edlen Züge. Ja, er sah genauso aus wie in ihren Träumen. Diese Güte und Liebe in seinem Blick. Sie unterdrückte ein aufsteigendes Schluchzen.
    Ritter Albrecht von Wertheim, dachte sie, dem ich mich in Liebe und Treue verschrieben habe.
    »Komm mit in die Halle. Du zitterst ja am ganzen Leib. Die Nächte sind noch kalt. Nicht, dass du krank wirst.«
    Er legte ihr den Arm um die Schulter und führte sie

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