Die Dirne und der Bischof
nackt. Auch mein Geist hatte alles verloren, was er einst besessen hatte.« Der Bischof sackte in seinen Polstern zusammen, sagte aber nichts.
»Die Wirtin des Frauenhauses, Else Eberlin, sagt, ich hätte einen bösen Schlag auf den Kopf bekommen, der mich hätte töten können. - Ja, vermutlich hätte töten sollen! Es war sicher nicht geplant, dass ich noch einmal erwache.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte der Bischof und barg sein rotes Gesicht in den Händen. »Wer hätte dir das antun sollen und warum dich in die Kürnach werfen? Warst du denn in der Vorstadt unterwegs?«
Elisabeth hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, kann es mir aber nicht vorstellen. Was hätte ich dort nachts zu suchen gehabt?«
»Ja, das würde mich auch interessieren!«, hakte der Bischof nach, nun ganz der gestrenge Vater.
Da Elisabeth darauf keine Antwort wusste, erzählte sie weiter, woran sie sich erinnern konnte. »Da weder ich noch eine der Bewohnerinnen wussten, wer ich war und woher ich kam, beschloss die Wirtin, dass ich bei ihnen wohnen bleibe.«
Der Bischof richtete sich kerzengerade auf. »Einen Moment. Was? Soll das heißen, du hast im Frauenhaus gewohnt?«
Elisabeth senkte den Blick. Es kostete sie ihren ganzen Mut, die nächsten Worte laut auszusprechen. »Ich habe im Frauenhaus gewohnt und gearbeitet, wie die anderen Frauen auch.«
»Heilige Jungfrau im Himmel, sag, dass das ein böser Scherz ist«, seufzte der Bischof und fiel wieder in sich zusammen.
»Ja, ich habe meine Unschuld und meine Ehre verloren und ein Jahr in Sünde gelebt, weil es keinen anderen Weg gab«, fügte Elisabeth noch hinzu. Wollte sie sich selbst oder ihn damit quälen?
Ihr Vater schluckte und räusperte sich. »Und wie kommst du dann heute hierher auf die Burg? Der junge Ritter Seitz von Kere, der sich mit seiner Familieüberworfen hat, hat mir von der ›Überraschung‹ in meinem Gemach erzählt. - Ja, eine Überraschung war es wirklich!«
»Die Wirtin hat mich weggeschickt - oder freigelassen, wie man das nun sehen will. Jedenfalls wusste ich nicht wohin, und da nahm mich Domherr von Grumbach bei sich auf.«
»Was? Der von Grumbach? Er muss dich erkannt haben. Er war so häufig bei uns zu Gast. Ob er unser Freund oder Feind ist, kann ich nicht sagen. Er versteht es trefflich zu verbergen, was in seinem Kopf vor sich geht und auf was er aus ist.«
»Ich glaube auch, dass er mich erkannt hat. Gesagt hat er es mir allerdings nicht. Er ließ mich in meiner Unwissenheit. Vor zwei Tagen kamen der Propst und zwei andere Domherren zu Besuch. Ja, und heute schickte mich Domherr von Grumbach hierher - um dem Bischof zu Gefallen zu sein«, schloss sie schnell.
Johann von Brunn sprang auf und begann ruhelos auf und ab zu gehen. »Der Propst und das Kapitel. Ich wusste es. Ihnen ist kein Mittel zu grausam oder verdorben, um es gegen mich ins Feld zu führen. Sie wollen mir das Rückgrat brechen, aber das wird ihnen nicht gelingen! Ich werde ihre machthungri gen Pläne zu vereiteln wissen! Diese ehrlosen und raffgierigen Männer, die mir alles neiden und mit hungrigen Augen der Geier darauf warten, meinen Kadaver zu zerfleddern!«
Elisabeth fühlte Widerspruch in sich. Die Worte schienen ihr übertrieben und ungerecht. Andererseits war sie unwissend zu ihrem Vater geschickt worden, um ihn zu kompromittieren. Das war eine unverzeihliche Tat und passte gar nicht in das Bild, das sie sich vom Domkapitel gemacht hatte.
Der Bischof unterbrach seine Wanderung. »Wie hast du deine Erinnerungen wiedererlangt?«
»Ich glaube, es war der Klang Eurer Stimme, als Ihr nach dem Medaillon fragtet. Plötzlich war alles wieder da - ich meine, bis auf den einen Tag, an dem ich verschwunden bin. Ich erkannte Euch als meinen Vater und bin weggelaufen.« Die Erinnerung an diese Situation ließ ihr abwechselnd heiß und kalt werden. Ihr ganzer Leib bebte. Der Bischof trat zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Vergiss es! Es ist nicht deine Schuld. Ich werde dafür sorgen, dass niemand davon erfährt. - Und auch vom Rest der Geschichte. Wir bleiben dabei, dass du das Jahr im Kloster verbracht hast. Daran kann keiner Anstoß nehmen.« Er sah sie eindringlich an. »Du darfst niemandem auch nur ein Wort von dieser unglaublichen und sehr unerfreulichen Geschichte erzählen. Versprich mir das!«
Elisabeth sah in die Augen, die die gleiche Farbe hatten wie die ihren. »Auch nicht Albrecht von Wertheim?«
»Ihm vor allem nicht!«, rief der Bischof und
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