Die Dirne und der Bischof
gekommen, sie dort zu besuchen? Nicht einmal Albrecht. Der Gedanke schmerzte sie.
Wäre es nicht seine Pflicht gewesen, sie zumindest noch einmal zum Abschied zu sprechen? Dann wäre bekannt geworden, dass sie nicht in jenem Kloster gewesen war. Dann hätten sie mit der Suche begonnen und sie befreit. Wenn Barbe noch lebte, dann hätte sie keine Ruhe gegeben, bis die Wahrheit ans Licht gekommen wäre.
Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit. Wer wollte schon, dass diese schändliche Wahrheit ans Licht kam? Ihr Vater jedenfalls nicht! Und Elisabeth wollte es auch nicht. Doch konnte sie mit der Last solch eines Geheimnisses leben? Immer in der Angst, doch noch als die Dirne erkannt und bloßgestellt zu werden?
»Dir wird gar nichts anderes übrig bleiben«, sagte sie zu sich. »Was für einen anderen Ausweg gibt es denn? Das Frauenhaus in Nürnberg?«
Elisabeth kuschelte sich in ihre Daunenkissen und zog die wunderbar duftende Decke bis ans Kinn. Nein, die Landstraße war keine Alternative, die man in Betracht ziehen sollte.
Kapitel 24
Sie trafen einander im Vorhof bei der Pferdeschwemme und beschlossen, ein wenig vor dem Tor spazieren zu gehen, um den neugierigen Blicken zu entgehen, die sich auf sie richteten.
»Ich bin noch so verwirrt«, gestand Elisabeth. »Es ist, als wäre ich in einem schönen Traum, aus dem ich jeden Moment erwache.«
»Ja, das war sicher ein anderes Leben im Kloster der Zisterzienserinnen«, sagte der junge Chorherr. »Ein Bettelorden im Tausch gegen den prunkvollen Hof deines Vaters.«
»Zu prunkvoll«, seufzte Elisabeth.
»Ja, viel zu prunkvoll für einen Bischof - und gar für einen in solch prekärer Geldnot! Und dann seine nun immer häufiger wechselnden Mätressen!« Er hielt inne und sah bestürzt drein. »Oh, das hätte ich nicht sagen sollen. Es ist nur, ja, so offensichtlich. Dennoch ist das keine Entschuldigung, vor deinen Ohren solche Reden zu führen und dein Schamgefühl zu verletzen. Verzeih mir!«
»Ja, sicher«, sagte sie mit einer Spur von Ungeduld in der Stimme. Um ihr Schamgefühl zu verletzen, brauchte es weit mehr als die Erwähnung des Wortes »Mätresse«! War ihre Mutter nicht selbst nur eine Geliebte in Sünde gewesen? War Elisabeth nicht ein Bastard des Bischofs? Eines Kirchenmannes, der das Zölibat versprochen hatte? Doch darüber schien keiner nachzudenken. Der Bastard eines Bürgers oder Landmannes wurde geächtet und von den anderen Kindern verspottet. Ein König oder Herzog, ja, und auch ein Bischof konnte es sich leisten, seine Kinder der Schande in den Kreisen der Junker anerkennen zu lassen, dass sie ihnen mit Achtung begegneten. Moral war etwas Seltsames. Sie war nicht absolut. Sie war eng mit Macht und Reichtum verbunden.
»Habe ich dich mit meinen Worten verstimmt?«
»Aber nein«, wehrte sie ab. »Hältst du mich für so zimperlich? Das war ich nie. Denke an unseren gemeinsamen Zug nach Prag!«
»Ja, aber nun warst du ein Jahr bei den Nonnen.«
Albrecht von Wertheim blieb stehen und sah sie aufmerksam an. Er hob die Hand und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Wie dünn du geworden bist. Es war sicher kein leichtes Leben. Haben sie dir nicht genug zu essen gegeben?«
»Ich musste nicht hungern«, wich Elisabeth aus.
»Und deine Hände! Wie sehen deine Hände aus?« Er griff nach ihnen und drehte die Handflächen nach oben. »Ganz rau und rot. Sie haben dich harte Arbeit verrichten lassen!« Elisabeth zog ihre Hände zurück. Wenn er sie gesehen hätte, als sie das Frauenhaus verlassen hatte! Nun waren die stärksten Schwielen und die Risse vom Wäschewaschen bereits am Abklingen. Im Haus des Domherrn hatte sie nicht mehr als einen Stickrahmen oder ein Buch gehalten!
»So schlimm war das gar nicht«, wehrte sie ab. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Dann fragte er:
»Was wird nun werden?«
»Mit mir?« Elisabeth hob die Schultern. »Vorläufig bleibe ich bei meinem Vater auf der Festung. Denk nur, er hat in meinem Gemach nichts verändert! Alles ist noch da: meine Kleider, mein Schmuck, die Bücher und Handarbeiten.«
»Ja, deine Bücher!« Albrecht von Wertheim lachte. »Dein Vater hielt dich für verrückt, und der Kaplan wohl auch, aber du hast ihm immer wieder in den Ohren gelegen, dass dein Vater dir noch mehr Bücher besorgen sollte. Ich höre noch seine Worte: Seine Nase zwischen Buchseiten vergraben? Das ist was für Mönche und Pfaffen - und glaube mir, selbst ich habe mir während
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