Die Dirne und der Bischof
gegen den Angriff zu wehren, doch schon stieß Jeanne ihm die brennende Fackel ins Gesicht. Er heulte auf und riss sein Schwert aus der Scheide. Elisabeth schrie. Von der Seite stürmte Gret heran und warf sich gegen den Ritter. Sein Schwertstreich verfehlte Jeanne um eine Handbreit. Die Fackel fiel zu Boden und erlosch.
Elisabeth rappelte sich auf. Ihr war schwindelig und übel, doch dafür hatte sie nun keine Zeit. Sie zog sich an der Lehne eines Scherenstuhls hoch. Was konnte sie tun? Seitz von Kere versuchte Gret abzuschütteln, die sich nun an seinen Rücken klammerte, während Jeanne seiner fahrig geführten Schwertklinge auswich. Beide waren unbewaffnet. Grets Küchenmesser steckte im Rücken des von Seckendorf, der sich nicht mehr rührte. Vermutlich war er tot. Seitz von Kere schlug den Schwertgriff auf Grets Hand, die sich in seinen linken Arm gekrallt hatte. Sie schrie auf und ließ ihn los. Mit einer raschen Bewegung schüttelte er sie vollends ab, dass sie nach hinten gegen das Bett taumelte. Jeanne stand völlig schutzlos vor der Truhe unter dem Fenster. Der Ritter hob das Schwert. Elisabeth blieb keine Zeit nachzudenken. Wenn sie handeln wollte, dann musste sie es jetzt tun. Sofort! Ein Schritt zum Kamin genügte. Sie fühlte den Schürhaken in der Hand. Das Schwert fuhr herab. Jeanne warf sich zur Seite, dennoch musste er sie erwischt haben. Sie schrie auf. Elisabeth konnte nicht nach ihr sehen. Den Schürhaken erhoben sprang sie vor und ließ ihn auf den Kopf des Ritters herabsausen. Es gab ein hässlich knirschendes Geräusch, das ihr unangenehm bekannt vorkam. Der Ritter hielt mitten in der Bewegung inne. Ganz langsam drehte er den Kopf und sah Elisabeth an. Diese wartete nicht, bis das Leben in seine Glieder zurückkehrte. Sie schlug noch einmal zu. Ritter Seitz von Kere taumelte zwei Schritte zurück und fiel dann mit einem dumpfen Schlag nach hintenüber. Bewegungslos blieb er liegen.
»Habe ich ihn getötet?«, rief Elisabeth panisch.
»Ich kann es für ihn nur hoffen!«, knurrte Gret und beugte sich über ihn. »Dann hat er Glück gehabt und einen unverdient leichten Tod bekommen.«
Elisabeths Blick wanderte zu Jeanne, die leise stöhnend auf der Truhe zusammengesunken war. Blut färbte die ungebleichte Wolle ihres Gewandes und rann über ihren Arm herab.
»Heilige Jungfrau, er hat dich erwischt!« Elisabeth stürzte zu ihr.
»Ist, glaube ich, nicht so schlimm«, stieß Jeanne zwischen den Zähnen hervor. Elisabeth war bereits bei ihr und löste behutsam die blutigen Finger, die ihren linken Oberarm umklammerten. Der Stoff darunter war aufgeschlitzt. Eine tiefe Wunde klaffte im Fleisch. Elisabeth entfuhr ein Schluchzen.
»Das wird wieder«, sagte Gret, die neben Elisabeth trat und die Wunde betrachtete. »Jeanne hat schon Schlimmeres überstanden. Wir müssen nur dafür sorgen, dass es nicht fault. Und als Erstes muss die Blutung aufgehalten werden.«
Gret sah sich im Zimmer um und riss dann von einem Hemd, das achtlos über der Lehne eines Stuhls hing, einige Streifen ab, um den Arm zu verbinden. Die Frauen waren so in ihr Tun vertieft, dass sie weder die Schritte hörten, die sich näherten, noch den Lichtschein bemerkten, der den Gang entlang auf das Zimmerzukam. Erst als die Tür vollends geöffnet wurde und der Mann, der als Erster eintrat, einen Ruf der Überraschung ausstieß, fuhren sie herum und starrten in die Gesichter des Bischofs, eines jungen Kaplans und der Ritter Hans von Henneberg und Georg von Castell.
»Was um alles in der Welt ist hier los?«, verlangte der Bischof zu wissen, der fassungslos von den beiden reglosen Körpern am Boden zu den drei Frauen und dann wieder zu seinen beiden Rittern sah.
»Sie sind beide tot«, meldete Georg von Castell, der sich nacheinander über sie gebeugt und jedem prüfend seine Hand an den Hals gelegt hatte.
Elisabeth richtete sich auf und überließ es Gret, die blutende Wunde vollends zu verbinden. Sie trat auf ihren Vater zu. Ihre Stimme klang zu ihrer Überraschung fest, als sie zu sprechen begann.
»Ich beantworte Euch jede Frage, so ausführlich, wie Ihr es wünscht - später in Eurem Gemach, wenn wir alleine beisammensitzen. Jetzt sei so viel gesagt: Die Wölfe haben sich unter Lämmerpelzen versteckt, um Euer Vertrauen zu gewinnen, doch ihr Ziel war stets Euer Tod! Ich selbst habe ihre Worte gehört. Und als sie mich entdeckten, versuchten sie mich für immer zum Schweigen zu bringen, damit ich ihren finsteren Plan nicht
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