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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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an der Macht. Wer Macht hatte, der durfte sich über Regeln und Moral hinwegsetzen. Wie viel Macht hatte ein junger Domherr von Wertheim? Gab Albrecht sich einer Illusion hin? Würde Elisabeth am Ende die Leidtragende seiner naiven Träume sein?
    Es dämmerte. Jeanne ging lautlos durch das Gemach und entzündete die Kerzen. Endlich blieb sie vor Elisabeth stehen.
    »Was ist mit dir? Du sitzt hier seit einer Ewigkeit mit deiner Stickarbeit im Schoß und hast keinen einzigen Stich getan.«
    Elisabeth versuchte sich an einem Lächeln. »Es ist nichts. Ich habe nur nachgedacht.«
    Jeanne nickte. »Über den Brief. Ich weiß. Seitdem bist du ganz verändert.«
    Elisabeth war versucht, es abzustreiten, sagte dann aber: »Ja, der Brief und das, was er für uns bedeuten könnte.«
    Jeanne fragte nicht. »Wir nehmen es so, wie es kommt, und machen das Beste für uns draus«, sagte sie nur, als sie Elisabeth das Gewand für den Abend auf ihr Bett legte. Jeanne hatte in ihrem Leben schwere Jahre erduldet und freute sich nun sichtlich an ihrer neuen Arbeit auf der Burg. Dennoch war ihr offensichtlich klar, dass sie jederzeit in ihr altes Leben zurückgeworfen werden konnte. Sie schien jedoch keine Angst davor zu haben. Beschämt musste Elisabeth vor sich zugeben, dass sie sich vor der Veränderung fürchtete, die über der Festung auf dem Marienberg heraufzog.
    »Willst du dich nicht umkleiden?«, fragte Jeanne, nachdem Elisabeth keine Anstalten machte, sich von ihrem Platz in der Fensternische zu erheben. »Das Essen wir sicher gleich aufgetragen.«
    »Nein, eigentlich will ich nicht, und Hunger verspüre ich auch nicht. Dennoch werde ich gehen, um mit meinem Vater zusammen zu speisen.« Wer weiß, wie lange mir das noch vergönnt ist, fügte sie im Stillen hinzu. Jeanne half ihr beim Umziehen und legte ihr zum Schluss ihr Seidentuch um die Schultern.
    »Brauchst du mich dann noch? Ich meine, bevor du dich zur Ruhe begibst?«
    »Nein, warum? Du hast doch nicht etwa eine Verabredung mit einem Mann?«, scherzte Elisabeth.
    Jeanne machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nein, danke, von Männern habe ich noch eine ganze Weile genug. Gret wartet unten im Hof. Sie darf sich bis zum Spülen nach dem Mahl von der Küche entfernen. Also, wenn du nichts dagegen hast, würde ich sie gerne treffen.«
    »Aber ja, mach, dass du in den Hof kommst«, sagte Elisabeth mit einem Lächeln, doch dann seufzte sie. »Ich würde lieber mit euch im Hof spazieren gehen, als wieder einen langen Abend in Geradinas Gesellschaft und der von Ritter von Kere und von Seckendorf zu ertragen.«
    Sie traten in den Gang hinaus. Jeanne wandte sich nach rechts. Elisabeth folgte ihr, obwohl der direkte Weg zum gro ßen Saal in die andere Richtung gewesen wäre.
    »Ich will Gret wenigstens begrüßen. Ich habe sie seit zwei Tagen nicht gesehen. Mir wird im großen Saal schon nichts entgehen. Mein Vater kommt meist ebenfalls später.«
    Sie folgte Jeanne über den Steg in luftiger Höhe zum Südostturm hinüber, den man auch den Randesackerturm nannte. Die Frauen folgten der Wendeltreppe hinunter, vorbei an dem gut gesicherten steinernen Gelass, in dem der Bischof seine Schätze verwahrte, und dem Archiv für alle wichtigen Urkunden. Jeanne hatte den nächsten Treppenabsatz schon hinter sich gelassen, als Elisabeth plötzlich innehielt. Jeanne drehte sich um. »Was ist?«
    Elisabeth legte einen Finger auf die Lippen. »Es ist nichts. Geh schon mal vor. Ich komme gleich.«
    Gebannt starrte sie durch die halb geöffnete Tür den Gang entlang, der zu den Quartieren der Ritter im Südflügel führte. Wie die Treppe war auch er nur schwach erleuchtet. Eine der Fackeln, die in eisernen Haltern an den Wänden steckten, war am Erlöschen und glühte nur noch schwach. Elisabeth spürte, wie ihr das Atmen plötzlich schwerfiel. Ihr Herz schlug immer schneller. Es war, als zwinge eine fremde Macht sie, die Tür weiter aufzuschieben und in den Gang zu treten. Sie ahnte die Silhouette eines Mannes, eines Ritters, nach dem kurzen Wams zu schließen, der vor einer geschlossenen Tür stand. Er hob die Faust und klopfte in einem Rhythmus gegen das Holz, der Elisabeth unheimlich vertraut vorkam. Die Tür öffnete sich. Er schlüpfte hinein und schloss sie dann sorgfältig hinter sich. Die Frau am anderen Ende des Korridors hatte er offensichtlich nicht bemerkt.
    Mit hölzernen Schritten ging Elisabeth auf den Lichtschein zu, der unter der Tür eine goldene Linie zeichnete. Es war, als

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