Die Dirne und der Bischof
wate sie durch Wasser. Mit jedem Schritt fiel es ihr schwerer, doch sie musste diesen Weg gehen, wieder und wieder, wie in ihren Träumen. Doch was wartete am Ende auf sie? Elisabeth wusste es nicht. Das hatte keiner der Träume ihr verraten. Sie begann zu ahnen, dass sie es heute endlich erfahren würde.
Die Fackel an der Wand neben ihr erlosch mit einem leisen Zischen. Elisabeth tastete sich weiter, bis sie vor der geschlossenen Tür anlangte. Sie konnte Stimmen erahnen. Sie näherte ihr Ohr dem Holz und presste es dagegen.
Warum nur kam es ihr so vor, als müsse sie einem unbekannten Plan folgen, von dem sie nicht aus eigener Kraft abweichen konnte? Elisabeth bemühte sich, langsam und leise zu atmen. Nun verstand sie die Worte hinter der Tür.
»Hast du mit ihm gesprochen? Ist es endlich so weit?«, drängte eine männliche Stimme. War das nicht der Ritter von Kere?
»Ja, ich habe mit ihm gesprochen. Und wir müssen uns noch ein wenig gedulden«, antwortete die Stimme des Ritters von Seckendorf. Elisabeth nickte. Das würde zu der Gestalt passen, die sie gesehen hatte.
»Geduld, Geduld«, schimpfte der von Kere. »Wir haben jetzt mehr als ein Jahr Geduld bewiesen. Manches Mal denke ich, er will gar nicht Bischof werden.«
»Natürlich will er das, aber er hat keine Garantie, dass er gewählt wird, wenn wir dem Alten von Brunn einfach den Schädel einschlagen, auch wenn das dieeinfachste aller Übungen wäre. Das haben wir doch alles schon ein Dutzend Mal besprochen.«
Das Rauschen in Elisabeths Kopf wurde zu einem Dröhnen. Die Erinnerung tröpfelte durch den brüchig gewordenen Damm. Die Worte glichen denen, die sie schon einmal gehört hatte, auf erschreckende Weise. Damals war es darum gegangen, erst einmal das Vertrauen des Bischofs zu gewinnen, um nahe genug an ihn heranzukommen. Jetzt waren die beiden Ritter, die ihn töten wollten, zu den »schützenden Engeln« des Bischofs ernannt worden. Welche Ironie!
»Wir werden in wenigen Tagen zuschlagen. Er sagt, in der Stadt und im Kapitel gehe etwas vor sich, dem er erst Herr werden müsse. Dann könnten wir beginnen. Wir folgen dem Plan, den wir besprochen haben.«
»Welchem? Dem des Selbstmords oder dem eines natürlichen Todes?«, erkundigte sich Ritter von Kere. In seiner Stimme schwang so etwas wie freudige Erwartung.
»Der beste Weg wäre der unauffällige! Das heißt, wir müssen ihn erst dazu bewegen, das Dokument aufzusetzen, in dem er seinen Nachfolger beruft. Dann können wir ihn töten. Ich habe hier ein schnell wirkendes Gift, das ihn so aussehen lässt, als habe ihn der Schlag getroffen.«
»Was bei seinem Lebenswandel keinen wundern würde«, ergänzte Ritter von Kere und lachte gehässig. »Zu viel Sauferei und Hurerei in seinem Alter! Das muss ja Folgen haben.«
Ein unbändiger Zorn stieg in Elisabeth auf. Wie konnte er es wagen, so über ihren Vater zu sprechen, den Bischof von Würzburg! Mit jedem Wort konnte Elisabeth den Ritter von Kere deutlicher verstehen, doch sie begriff zu spät, was das zu bedeuten hatte. Erst als die Tür aufgerissen wurde und sie in hellen Lichtschein tauchte, wurde ihr der Fehler klar. Und es wurde Elisabeth mit einem Schlag bewusst, dass dies das zweite Mal war! Wie eine Welle kehrte die Erinnerung an jene Nacht zurück. Wie sie die Treppe hinuntergestiegen war und die Gestalt des jungen Ritters, der noch nicht lange auf der Burg weilte, vor sich in dem Gang hatte verschwinden sehen. Wie die Neugier sie trieb, ihm zu folgen. Der lange, schwach beleuchtete Korridor, der Lichtstreif unter der Tür, der sie wie magisch anzog.
Gleich am ersten Tag hatte der Ritter von Seckendorf begonnen, ihr den Hof zu machen und sie mit Komplimenten zu überschütten. Albrecht hatte kein gutes Haar an ihm gelassen. Verständlich. Der Neue war gut aussehend und ein geschickter Kämpfer. Wie sollte Albrecht gleichmütig bleiben, wenn er mit ansehen musste, wie der von Seckendorf um seine Braut herumschlich? Doch auch Elisabeth hatte der junge Mann nicht behagt. Von Anfang an hatte sie sich in seiner Gesellschaft nicht wohl gefühlt. Und wie ausgeliefert kam sie sich erst vor, als Albrecht und ihr Vater zu ihrem Zug gegen die Hussiten aufgebrochen waren und sie in der Obhut der Ritter von Kere und von Seckendorf zurückbleiben musste.
Den beiden hatte es ebenso wenig geschmeckt. Immer wieder hatten sie den Bischof gebeten, ihn begleiten und ihm ihre Treue beweisen zu dürfen, doch er hatte abgelehnt.
»Ihr könnt mir Eure
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