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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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zog. Er versuchte, zwei Pfennige am Wein zu sparen, doch Elisabeth blieb hart.
    »Ihr seid echte Schülerinnen unserer Eselswirtin«, grollte er.
    Elisabeth lächelte ihn an. »Ja, denn wir werden ihr später Rechenschaft ablegen müssen.«
    So etwas wie Verständnis huschte über das hagere Gesicht des Metzgers. Er tätschelte Elisabeth zum Abschied die Wangen. »Hast schon recht, Kindchen. Alles im Leben hat seinen Preis.« Seine Hand wanderte schon zu Ester, um sich auch von ihr auf diese Weise zu verabschieden, doch sein Blick blieb an den Narben in ihrem Gesicht hängen, und so ließ er die Hand auf halbem Weg wieder sinken.
    »Also, wir sehen uns sicher bald wieder«, sagte er ein wenig verlegen. Dann eilte er davon.
    Es war schon recht spät, als die Eselswirtin mit einem Bündel unter dem Arm zurückkehrte. Als Erstes ließ sie sich berichten, was in ihrer Abwesenheit vorgegangen war, und sich die Münzen von Ester in die Hand zählen. Elisabeth bestätigte, dass alles seine Ordnung habe, und die Meisterin nickte zufrieden. Sie ließ den Blick über die wenigen Gäste schweifen und winkte dann Elisabeth, mit ihr zu kommen. Drüben in ihrem Häuschen zündete sie eine Lampe an und schürte das Feuer, ehe sie das Bündel auspackte, das sie mitgebracht hatte. Elisabeth erkannte zwei Bündel Petersilie und einige Stängel Poleiminze.
    »Und was ist das?«, fragte sie und deutete auf ein Gewächs mit verzweigten Blättern und kleinen gelben Blüten.
    »Weinraute«, sagte die Wirtin grimmig. »Dort, wo Jeanne herkommt, wächst es wild, und man nennt das Kraut ›herbe à la belle fille‹ - Kraut der schönen Mädchen. Hier gibt es die Pflanze nur in den Klostergärten. Sie soll auch bei Leiden der Augen und gegen Würmer in den Gedärmen helfen. Und das ist eine Zaunrübe. Sie wird dem Ganzen einen ekelhaften Geschmack geben, aber es soll ja kein Honigschlecken für Marthe werden, nicht wahr?«
    Die Wirtin wies Elisabeth an, die Kräuter und Wurzeln in kleine Stücke zu schneiden, während sie in der Feuerstelle Holz nachlegte und den Wasserkessel aufsetzte.
    »Wird der Sud ihr helfen?«, fragte Elisabeth. Der Geruch der Kräuter stach ihr in der Nase.
    »Er wird die Leibesfrucht austreiben, ja, und Marthe hoffentlich nicht das Leben kosten.«
    »Es ist eine Todsünde«, murmelte Elisabeth, doch so leise, dass es die Meisterin nicht hörte. Sie nahm sich vor, für Marthe zu beten. Die hübsche Dirne war meist mürrisch und zu Elisabeth oft voller Bosheit gewesen, und dennoch verdiente sie es nicht, auf diese Weise sterben zu müssen. Keine Frau verdiente solch ein Schicksal! Elisabeth überlegte. Die heilige Agnes, die die Jungfrauen und ihre Keuschheit schützte, würde sich einer gefallenen Frau in Nöten nicht annehmen. Und auch die heilige Dorothea, die sich der Wöchnerinnen annahm, würde diese Tat sicher nicht befürworten. Vielleicht Genoveva? Sie war eine Schutzpatronin aller Frauen und wurde außerdem zur Abwehr von Krieg, Seuchen und allerlei Unglück angerufen. Und ein Unglück war es doch, das Marthe widerfuhr! Schließlich entschied sie sich für die heilige Margareta, die zu den zwölf Nothelfern gehörte, und die heilige Klothilde, die Patronin der Frauen. Elisabeth unterdrückte einen Seufzer. Durfte man in so einem Fall überhaupt eine Heilige anflehen, Marthes Leben zu verschonen und nur die noch winzige Leibesfrucht zu sich zu nehmen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine der Heiligen für Marthes Lage Verständnis aufbringen und diese furchtbare Sünde billigen würde.
    »Es ist nicht Marthes Schuld«, sagte sie bestimmt und rückte der Zaunrübe mit dem Messer zu Leibe.
    »Bist du so weit?« Else durchbrach ihre Gedanken. »Dann lass uns den Trank fertig machen. Es ist schon spät, und die Gäste müssen sich bald auf den Heimweg machen.«
    Elisabeth nickte stumm. Sie ging der Eselswirtin zur Hand, schöpfte dann einen Becher voll und brachte ihn, als der Trank ein wenig abgekühlt war, zu Marthe. Die protestierte und schimpfte über den widerlichen Geschmack, trank das Gebräu jedoch bis zum letzten Tropfen. Elisabeth glaubte Angst in ihrem Blick zu erkennen, als sie ihr den leeren Becher wieder aus der Hand nahm.
    »Es wird schon gut gehen«, sagte sie tröstend und umschloss die langen, schmalen Finger der hübschen Frau. »Ich habe für dich gebetet.«
    Marthe stieß einen fauchenden Laut aus und entriss ihr die Hand.
    »Spar dir deine falschen Beteuerungen. Ich weiß sehr wohl,

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