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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Befehl des Henkers zuwiderzuhandeln. Scheu wichen sie zu beiden Seiten und gaben den Blick auf die nun totenbleiche Marthe frei, deren Körper noch immer unter den Krämpfen zuckte. Meister Thürner betrachtete sie einige Augenblicke aufmerksam, ehe er die Decke wieder fallen ließ. Nichts schien seiner Aufmerksamkeit zu entgehen. Dann hob er die Lider, bis seine blauen Augen auf die grauen der Wirtin trafen. Sein Blick war hart.
    »Nun Else, willst du mir nicht sagen, was das zu bedeuten hat?«
    Die Wirtin zuckte mit den Schultern. »Eine kranke Dirne. Das Geschrei nicht wert, das du hier machst. Also geh, und lass mich meine Arbeit tun.«
    Die grauen Augenbrauen des Henkers wanderten ein Stück nach oben. Nun lag so viel Kälte in seinem Blick, dass Elisabeth unwillkürlich ein Stück zurückwich.
    Fast musste sie die Meisterin bewundern, dass sie die Lider nicht senkte und ihr Rücken aufgerichtet blieb. »Offensichtlich hast du deine Arbeit schon gründlich genug getan«, sagte der Henker sarkastisch und deutete auf den Haufen blutiger Leinenstücke. »Du sehnst
    dich wohl nach einem meiner Türme? Wehe, wenn deine Dirne stirbt! Ich kann dich beim Rat des Mordes anklagen.«
    Else wurde weiß im Gesicht, hielt sich aber noch immer gerade. Ihre schlaffen Falten ließen sie in diesem Augenblick noch älter erscheinen.
    »Du kannst mir gar nichts beweisen. Wenn sie etwas genommen hat, dann war das ganz alleine ihre Entscheidung.«
    Der Henker schnaubte. »Ach, und dein größtes Streben ist es, sie am Leben zu erhalten und ihre Gesundheit wiederherzustellen?«
    »Ganz recht!« Sie musterten einander mit grimmiger Miene.
    »Schön«, sagte der Henker schließlich, »dann ist es ja in deinem Interesse, wenn wir alles tun, damit dein Schützling schnell wieder auf die Beine kommt.« Er wandte sich zum Gehen, doch die Meisterin hielt ihn zurück.
    »Was hast du vor?«
    »Dir bei deinen Bemühungen Unterstützung teil werden zu lassen. Ich verstehe zwar etwas von Knochenbrüchen und Wunden, doch nicht genug, um in solch einem Fall von Hilfe zu sein. Aber ich weiß jemanden, der es kann, und den werde ich dir jetzt vorbeischicken!«
    Else sank in sich zusammen, als habe jemand mit einer Nadel in eine pralle Schweineblase gestochen.
    Elisabeth sah fragend zu Jeanne, doch auch sie hob nur die Schultern. Die Meisterin zu fragen, traute sich keine der Frauen, und so warteten sie gespannt, wen der Henker schicken würde.
    Sie brauchten nicht lange zu warten. Es verging keine Stunde, da kehrte der Henker zurück und brachte ein Weiblein mit, das neben seiner Statur zuerst wie ein Kind wirkte. Als sie in den Lampenschein trat, sahen die Frauen jedoch, dass sie zwar einen Kopf kleiner als ihre Meisterin war, doch vermutlich doppelt so alt. Ihre Haut wirkte wie zerknittertes Pergament, und die dunklen Augen waren tief in ihre Höhlen gesunken. Sie reckte eine klauenartige Hand unter dem weiten Umhang hervor und fuchtelte Else vor dem Gesicht herum.
    »Was hast du nun wieder angestellt?«, nuschelte die Alte. Vermutlich hatte sie kaum mehr einen Zahn im Mund.
    Elisabeth sah, wie schwer es der Meisterin fiel, ruhig zu antworten. Sie warf einen Blick auf den Henker, der mit verschränkten Armen unter der Tür stehen geblieben war. Dann sagte sie leise. »Es waren nur vier Tropfen vom Sadebaumöl.« »Vier Tropfen?«, wiederholte die Alte lauter, als es der Eselswirtin lieb sein konnte. »Fünf hätten sie vermutlich sofort getötet, und mit sechs hättest du auch die Dicke dort drüben umbringen können.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich es ihr gegeben habe«, wehrte Else ab, doch das Hutzelweibchen machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Das interessiert mich nicht. Ihr lebt in Todsünde, und auch die Frucht in euren Leibern wäre des Teufels. Macht mit euren Seelen, was ihr wollt, mich kümmert das schon lange nicht mehr.«
    »Aber du wirst ihr doch helfen? Gertrud, bitte!«, stieß Ester hervor. Sie kaute nervös auf ihren Fingernägeln.
    Das Weiblein starrte in Esters vernarbtes Gesicht. Ein weicher Schimmer huschte über das runzelige Antlitz, und so etwas wie ein Lächeln teilte die spröden Lippen. Mit ihrem Zeigefinger fuhr sie die Linien der Narben nach. Ester zuckte nicht.
    »So, du erinnerst dich noch an meinen Namen.«
    »Du hast mich gerettet«, murmelte Ester.
    Die Alte nickte. »Ja, doch ich konnte nicht verhindern, dass du für immer gezeichnet bist.«
    Ester ging nicht darauf ein. »Kannst du auch Marthe helfen?

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