Die Dirne und der Bischof
Es ist nicht ihre Schuld!«
Die Alte wiegte den Kopf hin und her. Sie zog das Tuch von Marthes Körper und fuhr mit ihren langen Fingernägeln über die fleckige Haut, die sich über die deutlich hervortretenden Rippen spannte.
»Über Schuld und Unschuld werden wir heute nicht sprechen. Ich will sehen, was ich tun kann. Versprechen kann ich nichts. Sie ist schon sehr schwach, und ihr Herz springt wie ein flüchtender Hase. Fragt mich morgen noch einmal, aber nun geht, und starrt mir nicht über die Schulter. Das kann ich nicht leiden! Und wagt es nicht, in meiner Gegenwart eurem sündigen Treiben nachzugehen!«
Die Frauen zogen sich mit gesenkten Köpfen zurück. Else schluckte und versicherte dann mit bebender Stimme, dass heute am heiligen Sonntag kein Kunde das Frauenhaus aufsuchen würde. Dann stürmte sie hinaus, die Hände zu Fäusten geballt.
»Wer ist denn die?«, wollte Jeanne wissen, als sich die Frauen draußen auf der alten Mauer zum Judenfriedhof niedergelassen hatten. Alle starrten Ester an, die jedoch ihre Blicke mied.
»Sie ist eine gute Hebamme«, sagte Elisabeth, ehe sie darüber nachgedacht hatte.
»Ja«, sagte Gret und sah Elisabeth erstaunt an. »Sie war viele Dutzend Jahre die erste Stadthebamme von Würzburg. Jetzt arbeitet sie eigentlich nicht mehr, aber man holt sie noch immer bei schwierigen Geburten. Wenn es Zwillinge werden oder das Kind verkehrt liegt. Woher weißt du das?« Elisabeth hob die Schultern. »Ich dachte es mir nur, so wie sie gesprochen hat. Sie muss uns und unsere Arbeit verdammen, wenn es doch ihre Aufgabe ist, den Wöchnerinnen und ihren Kindern zur Seite zu stehen.«
»Das ist kein Grund, uns so zu behandeln«, widersprach Jeanne.
Gret nickte zustimmend. »Was glaubst du wohl, wie vielen Frauen und Mädchen Gewalt angetan würde, wenn es uns nicht gäbe? Denkst du, die Männer würden einfach nur ruhig abwarten, wenn sie nicht zu ihrer Ehefrau dürfen, weil die gerade ihre unreinen Tage hat? Und den Wöchnerinnen verschaffen wir die Ruhe, die sie in den ersten Wochen nach der Geburt dringend brauchen.«
»Oder all die Männer, die noch nicht heiraten können«, ergänzte Mara. »Sie würden viele anständige Mädchen ins Unglück reißen.«
»Wir nehmen also das Unglück vieler anderer auf uns«, sagte Anna und lächelte zufrieden. »Und wir bekommen Geld dafür.«
Elisabeth dachte über die Worte der Frauen nach. Hatten sie recht? Musste es Dirnen geben, weil die Männer zu schwach waren, um ihre Gelüste zu unterdrücken, und zu stark, als dass eine Frau sich gegen sie zur Wehr setzen konnte? Würden die anderen Frauen sonst noch mehr Gewalt und Demütigung erdulden müssen? Und doch sollte der Mann die Krönung der Schöpfung Gottes sein. Und die Frau? Die Gefährtin des Mannes?
»Woran denkst du?«, wollte Jeanne wissen. Sie lehnte sich an Elisabeth und kuschelte sich an ihre Schulter. Elisabeth versuchte der kleinen Französin ihre Gedanken zu erklären. Sie dachte schon, der Versuch wäre ihr missglückt, da Jeanne lange schwieg, doch dann nickte sie und sagte:
»Ich habe mich auch schon gefragt, ob Gott nicht von Anfang an einen Groll gegen uns Frauen gehegt hat, auch ohne Evas Ungehorsam. Aber weißt du, als die heilige Jungfrau in den Himmel kam, um für uns zu bitten, war es lange schon zu spät. Die Welt war erschaffen und bevölkert, und seit Generationen hatten die Frauen bereits unter der Gier und der Gewalt der Männer gelitten.«
»Und du meinst, sie hat zumindest versucht, sich für uns einzusetzen?« Elisabeth schwankte zwischen Belustigung und Traurigkeit. Was für ein seltsames Gespräch. Die Kirchenmänner hätten solche Gedanken sicher als Blasphemie verdammt.
Jeanne sah sie mit ernster Miene an. »Ja, das glaube ich«, sagte sie feierlich. »Wie sonst könnte ich jeden Abend zu ihr beten und darauf vertrauen, dass sie irgendwann noch ein anderes Leben für uns bereithält - und sei es unter ihrer Obhut im Himmel?«
Kapitel 7
Es dauerte vier Wochen, bis Marthe wieder vollständig genas. Der Juni kam und ging. Fast drei Tage war sie ohne Bewusstsein, und ihre Glieder zuckten unkontrolliert, doch die alte Hebamme gab es nicht auf, der Kranken Kräutertränke einzuflößen, bis sie sich nicht mehr erbrach. Vom Aderlass, den der Bader in dieser Lage sicher für unabdingbar gehalten hätte, hielt sie nichts.
»Was für schlechtes Blut sollte denn in diesem Körper noch sein, das man ihr abzapfen könnte?«, schimpfte sie. »Wenn
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