Die Dirne und der Bischof
Interesse ansah. »Was ist das für eine Entscheidung?«
»Das Domkapitel hat dem Rat der Stadt befohlen, ihnen die Schlüssel der Tore und Türme auszuhändigen.«
Elisabeth war geneigt zu sagen: Den Domherren ein paar Schlüssel geben? Na und? Das hat nichts zu bedeuten. Doch sie las in der Miene des Ratsherrn, wie wichtig die Oberhoheit über die Mauern und Türme für die Stadt war.
»Ja, die Schlüssel sollen wir ihnen geben und nur ihnen gewärtig und gehorsam sein!«
»Die Stadt soll dem Domkapitel huldigen?« Elisabeth keuchte. Ihr war klar, was das bedeutete. Das war nicht nur ein Schutzbündnis untereinander gegen äußere Feinde. Das war ein Bund gegen ihren eigenen Herrn, den Bischof Johann von Brunn, der in seiner Festung auf dem Marienberg über der Stadt thronte!
Elisabeth schluckte. »Wie wird der Bischof reagieren, wenn er davon erfährt?«
»Nun, ein paar der Herren im Domkapitel erhoffen sich, dass er zur Einsicht kommt, ja so etwas wie eine Erleuch tung hat und von nun an ein Leben führt, wie es sich für einen Bischof der heiligen Kirche geziemt. Dann werden wir ihm alle bei gegebener Zeit wieder huldigen und ihm brav unseren Zehnt, alle Zölle und Steuern bezahlen, damit er das Bistum aus seiner Umklammerung drückender Schulden führt.«
»Aber Ihr glaubt nicht daran«, stellte Elisabeth fest.
»Nein! Was glaubst du denn? Du bist auch eine Bewohnerin dieser Stadt und nicht auf den Kopf gefallen.«
»Ich weiß von solchen Dingen nichts«, wehrte Elisabeth ab, doch Ratsherr Maintaler bestand auf eine Antwort. Die junge Frau überlegte. Wieder begannen Stimmen in ihrem Kopf zu summen. Ein ganzes Ratskollegium schien sich hinter ihrer Stirn versammelt zu haben.
»Nun, wenn ich der Bischof wäre, dann würde ich dies als Verrat ansehen und auf keinen Fall dulden«, sagte sie langsam. »Es gab schon zu viele Briefe, Beschwerden und Vermittlungen.« Sie hob ihren Blick und sah dem Ratsherrn in die Augen. »Wenn ich der Bischof wäre, dann würde ich meiner abtrünnigen Stadt und dem Kapitel meine Macht zeigen - so, dass sie es nicht so schnell wieder vergessen!«
Hans Maintaler nickte. Tiefe Besorgnis stand in seinem Blick. »Ja, das ist genau das, was ich befürchte.«
»Meisterin, ich kann heute nicht arbeiten«, jammerte Jeanne, die - vom heimlichen Gemach herkommend - mit schweren, unsicheren Schritten zum Tisch herüberstakste und sich neben Elisabeth auf die Bank fallen ließ.
Sie sah wirklich schlecht aus. Das Haar fiel ihr strähnig ins Gesicht. Die Haut wirkte fleckig. Unter den Augen hatten sich dunkle Ringe eingegraben.
Else Eberlin hob den Blick und betrachtete sie, ohne die Miene zu verziehen. »Bauchschmerzen und Brennen beim Wasserlassen?«, fragte sie.
»Nicht mehr als seit Wochen«, gab Jeanne zurück. »Es ist mal besser und dann wieder schlechter. Die Salbe des Baders drängt den Ausschlag und die juckenden Fisteln immer wieder zurück.«
»Dann kannst du auch arbeiten. Das haben alle hin und wieder, und manche bekommen es ein Leben lang nicht los.«
Jeanne stieß einen Klagelaut aus. »Mein Kopf will mir zerplatzen und jedes Stückchen meines Körpers schmerzt. Mir ist so kalt, und meine Beine sind ganz schwach. Ich kann nicht!«
Else erhob sich langsam von ihrem Platz und kam auf Jeanne zu. Ihr ganzer Körper drückte die Drohung aus. Ja, es war, als schwebe sie noch in einer unsichtbaren Aura um die Meisterin. Die anderen duckten sich unwillkürlich, als Else an ihnen vorbeiging, obwohl ihre Augen fest auf Jeanne gerichtet waren.
»Was bildest du dir ein? Glaubst du, du kannst mir so kommen? Deine Arbeit verweigern?« Sie hob die Hand und schlug Jeanne hart ins Gesicht, sodass sie gegen Elisabeth fiel.
»Muss ich dich daran erinnern, wie viel Geld du mir noch schuldest? Wenn du alles bezahlt hast, kannst du von mir aus herumjammern und dich auf die faule Haut legen. Aber bis dahin gehörst du mir und wirst mir gehorchen!«
Jeanne richtete sich mühsam wieder auf. Nun war ihre linke Wange noch tiefer gerötet als die andere. Sie nickte stumm. Ein Schauder fuhr durch ihren Körper, dass es sie schüttelte. Elisabeth konnte hören, wie ihre Zähne aufeinanderschlugen. Die Meisterin betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Wieder hob sie die Hand. Jeanne zuckte zusammen, doch dieses Mal erhielt sie keinen Schlag. Else legte ihr die Hand auf die andere Wange und dann auf die Stirn. Zwei steile Falten bildeten sich über ihrer Nasenwurzel, als sie Jeannes
Weitere Kostenlose Bücher