Die Dirne und der Bischof
so stark geworden, dass sie wirres Zeug redet.«
»Jeanne ist sehr krank«, bestätigte Elisabeth. »Und die Meisterin macht sich Sorgen. Ja, sie fürchtet sich gar vor etwas. Deshalb ist sie so barsch. So kommt es mir zumindest vor.«
»Da könntest du recht haben«, sagte Gret. Die Frauen schwiegen, doch Elisabeth fand noch lange keinen Schlaf. Sie hoffte, dass sich ihr Verdacht schon am Morgen zerschlagen würde. Aber was sollte geschehen, wenn nicht? Wenn es die fürchterliche Wahrheit wäre?
Trotz Esters liebevoller Pflege und dem Fiebertrank der Meisterin ging es Jeanne immer schlechter. Ihre Haut glühte. Sie war nun kaum mehr bei Bewusstsein, warf sich nur unruhig von einer Seite auf die andere, murmelte unverständliche Worte und schrie manches Mal auf. Ester wich kaum von ihrer Seite.
»Sie kann nur schwer atmen und ringt immer wieder nach Luft«, teilte Ester den anderen mit.
»Ich möchte nicht wissen, was sie uns da eingeschleppt hat«, schimpfte Marthe und malträtierte einen Brotlaib mit dem großen Messer.
Ester trat erschöpft an den Tisch und nahm sich einen Kanten Brot. »Sie sieht so furchtbar aus, dass in mir wieder die schrecklichen Bilder von vor drei Jahren aufsteigen, als im Herbst die Pestseuche begann.« Sie schüttelte sich. Die grauenvollen Erinnerungen spiegelten sich in ihrer Miene.
»Überall die Toten in der Stadt und die Kreuze an den Türen. Der Gestank und die Angst. Meister Thürner sagte, es waren mehr als vierzig Leichen, die die Abdecker und Kloakenreiniger jeden Tag aus der Stadt zu schaffen hatten. Bald waren nicht einmal mehr genug gesunde Mägde und Knechte da, die Ernte einzubringen. Getreide verdarb, der Wein blieb an den Stöcken. Es waren grauenhafte Monate.«
Mara nickte. »Ja, erst starben die Ratten und dann die Menschen. Die Pest hat sich meine Eltern, die Großmutter und alle Geschwister geholt. Ich blieb alleine zurück. Mein Vater war als Seifensieder erst vor wenigen Monaten mit uns nach Würzburg gezogen.« In ihrem Blick stand Verzweiflung. »Der Besitzer des Hauses sagte, alleine und ohne Geld könne ich nicht bleiben. Was blieb mir anderes übrig, als zur Eselswirtin zu gehen und hier zu arbeiten?«
»Warum bist du nicht dorthin zurück, woher deine Familie kam? Gab es dort nicht noch Verwandte?«, wollte Anna wissen.
Mara hob die Schultern. »Wir haben Köln nicht im Guten verlassen. Es gab... Ärger und Verdächtigungen, die aber jeder Grundlage entbehrten! Nein, zurück konnte ich nicht. Auch hätte ich mich nicht auf die Landstraße getraut«, fügte sie leise hinzu. »Es ist ein so langer Weg. So ganz allein.«
Ester legte den Arm um sie. »Ich habe viel über das Rätsel nachgedacht, warum die Pest den einen holt und den anderen verschont. Ein paar wurden sogar wieder gesund. Aber das waren nicht viele.« Sie schwieg und sah traurig zu Boden.
Elisabeth und Gret tauschten ernste Blicke. Das schreckliche Wort war ausgesprochen worden. Die Pest! War sie nach Würzburg zurückgekehrt, um noch einmal wütend um sich zu greifen und sich wahllos Frauen und Männer und vor allem Kinder und Greise zu holen?
Ester erhob sich, um wieder nach Jeanne zu sehen, und auch die anderen machten sich an ihre tägliche Hausarbeit. Gret und Elisabeth fegten die schmutzigen Binsen zusammen und brachten sie in hölzernen Wannen zur Latrinengrube hinter das Haus.
»Meinst du, es ist möglich, dass die Pest zurückgekommen ist?«, fragte Gret, als keine der anderen Frauen sie hören konnte.
»Die Meisterin jedenfalls scheint es zu befürchten«, gab Elisabeth zurück. Besorgnis schwang in ihrer Stimme. »Ich denke, deshalb lehnt sie es ab, den Bader zu holen. Er soll Jeanne nicht sehen - und der Henker auch nicht. Hat sie das Haus nicht gestern geschlossen, bevor er auf seiner Runde vorbeikam? Das kommt nicht häufig vor.«
»Nein, kommt es nicht.«
Die leere Wanne zwischen sich, standen die Frauen am Rand der stinkenden Grube. Eine Ratte spazierte in aller Ruhe vorbei, erhob sich auf die Hinterbeine, schnüffelte interessiert und setzte dann ihren Weg fort. Zwischen den Binsen gab es sicher noch Reste von etwas Essbarem.
»Glaubst du, sie hat die Pest?«, wollte Gret wissen.
Elisabeth hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal einen Pestkranken gesehen zu haben. Ich weiß nur, dass die Meisterin ein gefährliches Spiel begonnen hat!«
»Ja, wenn es die Pest ist, dann wird Jeanne ohne die Hilfe eines Baders oder
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