Die Dirne und der Bischof
Krämer und Händler ungehindert ein- und ausgehen. Ein Aufatmen lief durch die ganze Stadt. Es waren nur wenige Felder, Wiesen und Weinberge verwüstet, dort, wo die verschiedenen Haufen gelagert hatten. Den Rest hatten sie unberührt gelassen.
»Das hat die Stadt auch schon anders gesehen«, berichtete ein alter Weinbauer, der mit zwei Freunden am Abend das Frauenhaus aufsuchte. »Mein Vater hat eserlebt, dass in einer Fehde alle Weinstöcke abgehackt worden waren. Da half nachher kein Weinen und Jammern. Über Jahre gab es kaum eigenen Wein in Würzburg! Viele Weinbauern waren gezwungen, ihre Felder den Stiftshöfen und Klöstern zu überlassen und sich eine andere Arbeit zu suchen. Sie konnten nicht warten, bis die neuen Stöcke wieder trugen. »Dem heiligen Vinzenz sei gedankt, dass dieser Kelch an uns vorüberging«, sagte er feierlich und hob seinen Becher. Die anderen taten es ihm gleich.
Für ein paar Tage herrschte so etwas wie Feierstimmung in der Stadt - außer im Haus des Ratsherrn Maintaler. Die Domherren beschlossen, keine weiteren Forderungen aus dem erzwungenen Vertrag mehr zu erfüllen und auch nicht zu den Schlichtungsgesprächen zu gehen, die noch offene Streitpunkte mit dem Bischof klären sollten. Er würde sich eh wieder nicht an sein Wort halten. Das hatten sie schon zu oft erlebt! Nun, die neuntausend Gulden würden sie mit der Zeit verschmerzen. Sie hatten sich mit einem blauen Auge aus der gefährlichen Lage gewunden, und das war ein Grund, zufrieden zu sein!
Dieses Gefühl der Zufriedenheit hielt an, bis eine weitere Neuigkeit die Stadt erschütterte: Der Bischof hatte seinen Schwager Raban Hofwart und einen ganzen Haufen Männer geschickt, um das alte Schloss zu besetzen und auszubauen! Schon vor langer Zeit hatte sich Bischof Gerhard an der Südwestecke der Vorstadt Sand am Mainufer ein kleines Schloss bauen lassen. Nun stand es schon lange leer und war dem zunehmenden Verfall preisgegeben, was keinen recht kümmerte. Die Vorstädter nannten das ganze Gelände die Schweinegruben. Nur die beiden Außenmauern am Main und nach Süden zum Stadtgraben hin wurden immer wieder sorgfältig ausgebessert und waren mit der Stadtmauer verbunden. Nun wollte sich also wieder ein Bischof direkt in die Stadt setzen, um von einer eigenen Befestigungsanlage seine Bürger im Zaum zu halten. Wenn die Burg erst einmal fertig gestellt und die großen Büchsen in Richtung der Stadt in Stellung gebracht wären, dann würde kein Ratsherr oder Kapitular dem Bischof auch nur zu widersprechen wagen. Viele Bürger zogen in die Vorstadt, um sich selbst von der Wahrheit dieses Gerüchts zu überzeugen, und sahen mit Schrecken, dass die Geschichte nicht übertrieben war. Ohnmächtig mussten sie mit ansehen, wie Stein um Stein die Mauern wieder aufgebaut und der Schutzwall immer stärker wurde.
»Wir müssen etwas tun. Sofort! Ehe es zu spät ist«, drängte Gret, die ihren Auftrag, mit Elisabeth und Jeanne einzukaufen, dazu nutzte, an der Baustelle vorbeizugehen. Nun standen sie im Schutz der letzten Häuser der Gasse und sahen den emsigen Arbeiten an den Mauern der Burg zu.
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun? Uns mit Prügel und Dreschflegel bewaffnen und die Maurer und Wächter in den Main werfen?«, wollte Elisabeth wissen.
Gret nickte. »Ja, genau das meine ich. Jetzt können wir es noch schaffen, wenn alle Würzburger sich zusammentun.«
»Ich würde auch mitkämpfen«, versicherte Jeanne ungewöhnlich wild. »Ich habe schon einmal einen Mann mit einer Heugabel getötet. Ich würde es wieder tun, wenn ich mich verteidigen müsste!«
Elisabeth sah sie an, wollte aber ihre Neugier nicht eingestehen und fragte daher nicht weiter nach. Gret war nicht so zurückhaltend.
»He, das hast du uns noch gar nicht erzählt. Wie kam es dazu? Warum hast du den Mann getötet?«
Jeanne presste ablehnend die Lippen zusammen, begann auf ihrem Rückweg jedoch von sich aus zu erzählen.
»Es war noch zu Hause. Mein Vater bewirtschaftete einen kleinen Pachthof im Süden von... nun, das ist ja egal. Eines Tages kam ein junger Mann vorbei, ein Gaukler und Geschichtenerzähler, und bat, in unserer Scheune die Nacht zubringen zu dürfen. Mein Vater hielt nichts davon und wollte ihn davonjagen, aber ich bettelte so, dass er schließlich nachgab. Er führte uns seine Kunst vor und erzählte wundervoll. Dann zog er sich in die Scheune zurück. Ich schlich in die Küche und stahl etwas zu essen für ihn. In der Scheune fand
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