Die Dirne vom Niederrhein
um. »Und wärt Ihr bei der Truppe nicht hoch angesehen und würde Euer Tod nicht ein großes Loch in die Befehlskette reißen, würde ich Euch auf der Stelle exekutieren lassen.«
Der Hauptmann nickte, soviel konnte Elisabeth erkennen. Sein Gesicht lag immer noch im Schatten, das Feuer beschien nur seinen Nacken und die dunklen Haare.
Für einen Moment hatte es den Anschein, der Hauptmann würde sich fügen, dann erhob er erneut die Stimme. »Ich habe mir lediglich die Freiheit genommen, Euch zu erinnern, dass Ihr gegen Eure eigenen Grundsätze verstoßt, verehrter Major. Dem wohlgeborenen Heerführer Eberstein würde das nicht gefallen, falls es ihm zu Ohren kommen sollte.«
Das war zu viel. Voller Zorn packte der Major den Hauptmann am Kragen.
»Du Kempener Bastard drohst mir? Von jemandem, der erst auf kaiserlicher Seite, dann bei der Stadtwache gegen die Franzosen und nun hier anheuert, lasse ich mir gar nichts sagen. Ihr verfluchten Söldner! Ich sollte euch alle aufknüpfen lassen. Mir ist egal, wie viele Männer du mitgebracht hast und wie sehr sie dich verehren. Dein Spiel ist gefährlich, Soldat.«
Elisabeth traute ihren Ohren nicht. Natürlich, jetzt fiel es ihr ein: Er war der Hauptmann der Stadtwache gewesen. Vater hatte mit ihm zu tun gehabt. Damals war er ein angesehener Mann, jedoch ein Einzelgänger. Er war für seine Härte bekannt, jemand, der die meiste Zeit kaum sichtbar war, aber auftauchte, sobald es galt, den Trunkenbolden Respekt einzuflößen. Vater hatte ihr einmal erzählt, dass er in der Kaiserlichen Armee gedient hatte. Ein Mann, dessen Handwerk das Töten und die Bestimmung der Krieg war. Und nun stand er wenige Fuß vor ihr. Abschätzend, musternd, abwägend. Er hielt still, als der Major seinen Griff verstärkte. Die beiden Männer glichen sich in Größe und Statur. Aber Falkensted musste bewusst sein: Sollte er die Faust erheben, wäre ihm der Tod gewiss.
Als der Major ihn losließ und Falkensted ein paar Schritte zurücktaumelte, konnte sie endlich in sein Gesicht blicken. Noch immer trug er diesen penibel gekürzten Ziegenbart. Aus seinen dunklen Augen war nicht zu lesen. Sie funkelten, als würden sie die Unbeugsamkeit dieses Mannes zur Schau stellen. Dazu schmückten etliche Narben sein Gesicht. Er musste viel gekämpft haben, sein ganzes Leben lang. Wutentbrannt stapfte der Major davon, seine Offiziere folgten ihm, nicht ohne dass sie dem Hauptmann verächtliche Blicke zuwarfen. Der Major war eine Naturgewalt, er schubste die einfachen Soldaten beiseite, allein seine Anwesenheit ließ gestandene Männer verschüchtert zu Boden blicken. Es war beileibe ein schlechter Einfall, sich diesen Mann zum Feind zu machen.
Elisabeth wartete ein paar Sekunden und lugte noch einmal durch die Holzbalken. Jedoch flüsterten der Hauptmann und Rosi nun, sodass sie kein Wort verstehen konnte. Endlich ließ sie ihre Aufmerksamkeit Bela zuteil werden, die sie die ganze Zeit über tröstend im Arm gehalten hatte. Sie nahm das Gesicht des Mädchens in beide Hände und sah erneut in den Augen, die finster wie die Nacht waren, ihre Schwester. Die Haut am rechten Auge verfärbte sich bereits violett, Belas Kleidung war zerrissen. Der Major musste sie heftig geschlagen haben.
»Komm mit«, sagte sie sanft und führte Bela in den Wagen. Sie bettete das Mädchen auf die weichen Kissen und strich mit einem nassen Tuch über seine Wangen. Langsam versiegten Belas Tränen, während ihre Hände noch zitterten.
»Sag mir, Bela, was ist vorgefallen?«
Ihr Blick war erfüllt von Angst, als sie zu reden begann. »Er war immer brutal, wollte mich dabei festhalten, an meinen Haaren ziehen«, wimmerte sie und hielt Elisabeths Hand fest. »Diesmal kannte er kein Maß. Er wollte mich vollends besitzen, verlangte, dass ich sein werde, seine Leibeigene. Ich sollte mit ihm mitkommen, sofort, auf der Stelle. Als ich dies abgelehnt habe, schien der Zorn des Teufels in ihm zu brennen. Er stürzte sich auf mich, hielt meine Handgelenke fest.« Kurz erstarb ihre Stimme und ging in ein leises Schluchzen über. In der Tat hatte der Mann sie mit seinen Pranken so fest gepackt, dass rote Stellen an ihren Handgelenken von seiner Brutalität kündeten.
»Was ist dann passiert?«, wollte Elisabeth wissen und tupfte ihr das Blut von der Lippe.
»Ich wusste mir nicht mehr zu helfen. Also sagte ich ihm, dass er sanfter sein soll. Er lachte und drückte mir die Kehle zu. Beinahe glitt ich in die Schwärze ab, aber als er
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