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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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etwas entgegnen wollte, drang ein gellender Schrei an ihre Ohren. Elisabeth zog sich die Decke über ihren Körper und spähte aus dem Fenster, versuchte einzuordnen, was der Ursprung dieses Lautes war. Dann brüllte eine Männerstimme und es wurde ihr schlagartig bewusst.
    »Bela«, hauchte sie und warf sich, so schnell es ihr möglich war, Kleidung über. Hastig drückte sie die Tür auf. Erde klebte an ihren nackten Füßen und vertrieb die Wärme der vergangenen Momente. Nur noch wenige Soldaten und Frauen waren in der Nähe des Feuers im Innern der Wagenburg zugegen. Anscheinend hatte die bloße Anwesenheit des Majors von Rosen sie verschreckt. Doch das war jetzt unwichtig.
    Sie stürmte auf den Wagen zu, in dem die beiden sich aufhalten mussten, ohne zu wissen, was sie eigentlich machen sollte, wenn sie die Tür aufriss und ein hasserfüllter Major sie anstarrte. Trotzdem musste sie es versuchen.
    Erst als sie kräftig am Arm gepackt wurde, hielt Elisabeth inne.
    »Das ist nichts für dich, Kindchen«, schoss es aus Rosi heraus, die auf den Verschlag deutete, wo der Badezuber seinen Platz hatte. »Bleib da und verhalte dich ruhig!« Rosi drehte sich zu den verbliebenen Frauen am Lagerfeuer um. »Ihr geht alle in eure Wagen. Sofort!«
    Erst wollten die Frauen widersprechen, doch Rosis Tonfall und die Wut in ihren Augen ließen keinen Widerspruch zu. Elisabeth tat, wie ihr geheißen. Durch die Löcher in der Wagenwand hatte sie einen guten Blick, als Rosi kräftig gegen die Tür donnerte und sie aufriss. Wenige Momente später fiel ihr die weinende Bela in die Arme. Das Feuer malte ihr Gesicht rot und selbst aus der Entfernung sah Elisabeth, dass ihr Auge einen dunklen Schimmer aufwies. Aus ihrer Nase tropfte Blut und ihre Lippe war aufgeplatzt.
    Elisabeths Hand ballte sich zu einer Faust.
    »Was erlaubt Ihr Euch?«, brüllte Rosi und zog Major von Rosen aus dem Wagen.
    Energisch schlug er die Hand der Frau beiseite und richtete in aller Ruhe seine Uniform.
    »Wir hatten ein Abkommen, eine Übereinkunft. Und jetzt vergreift Ihr Euch an einem wehrlosen Mädchen.« Bela hatte sich an Rosi geklammert. Während die Frau ihrer Wut freien Lauf ließ, streichelte sie über die zerwühlten Haare Belas.
    Mit offenem Mund lauschte Elisabeth den Worten und presste sich dabei ganz nah an das Holz. Sie wollte keine Silbe des Gesprochenen verpassen und überlegte im selben Moment, wie es möglich sein konnte, dass jemand einen Major auf diese Weise belehrte. War die Macht der Hurenmutter wirklich so groß?
    Sicherlich, es wäre alles andere als förderlich für die Moral der Truppe, wenn der Major den Beischlaf vollends verbieten und alle Huren auf den Scheiterhaufen schicken würde. Auch hatte Rosi in den Reihen der Offiziere Fürsprecher. Was sicherlich daran lag, dass etliche der Männer ihre Kunden waren. Aber reichte dies aus, um den mächtigen Major, der ohne zu zögern Widersacher und Konkurrenten tötete, zurechtzuweisen, zu beleidigen, ja, zu demütigen?
    Die Hautpartie um Elisabeths Augen schmerzte bereits, so fest drückte sie sich an den Verschlag.
    »Sie war mir nicht zu Willen«, entgegnete der Major, nachdem er seine Kleidung überprüft hatte. Seine Stimme war seltsam ruhig, als ob ihm bewusst wäre, was passieren würde. »Und wenn eine junge Dame mir nicht zu Willen ist, sollte man sie auf den richtigen Pfad führen dürfen. Schließlich habe ich bezahlt.«
    Noch immer schluchzte Bela und drückte sich fest an Rosi.
    »Das gibt Euch nicht das Recht, sie auf diese Weise zu behandeln. Auch das war Teil unserer Absprache. Keiner Frau wird Schaden zugefügt, dafür ziehen wir mit Eurem Heer mit und sind Euch zu Diensten.« Die Hurenmutter spie die Worte geradezu aus. Ihre Augen glühten, die Stimme musste im ganzen Lager zu hören sein. »Wir haben unseren Teil des Abkommens erfüllt – sind wir Euch nicht immer gefolgt, sodass Eure Männer sich nicht verstreuen und in den Dörfern nach Frauen suchen mussten? Waren es nicht Eure Worte, dass die Moral nur so aufrecht gehalten werden könnte?« Jetzt wurde ihre Stimme leiser, als sie an den Major herantrat. »Erhaltet Ihr von mir nicht jeden Sonnabend ein dickes Säckchen voller Taler?«
    Der Major hatte sich alles ruhig angehört, zupfte an seinen Handschuhen und richtete seinen Umhang. Einer seiner Offiziere wollte ihm helfen, doch er gebot ihm mit einer Handbewegung, sich nicht zu nähern. Der Major verschränkte die Arme und lächelte Rosi mit gönnerhaftem

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