Die Dirne vom Niederrhein
Blick an. »Das ist alles wahr, Hurenmutter. Jeder deiner Sätze, alle deine Worte.« Er beugte sich zu ihr herab. »Leider sind wir im Krieg. Dort werden Abmachungen nicht immer eingehalten und Regeln gebrochen.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«, zischte Rosi und funkelte angriffslustig.
»Ich denke, wir sollten neu verhandeln.«
Abfällig breitete sie die Hände aus. »Verhandeln? Bekommt Ihr nicht genug Geld?«
Jetzt war es der Major, der voller Zorn auf Rosi zustürzte. Einen Herzschlag lang dachte Elisabeth, dass er seinen Säbel aus der Scheide ziehen und ihr die Klinge in den Körper stoßen würde.
Stattdessen fauchte er nur: »Es ist aber nicht allein das Geld, welches Gegenstand unserer nächsten Verhandlungen sein wird.«
Einige Momente vergingen schweigend. Das Knistern des brennenden Holzes durchbrach die Stille. Diesen Moment nutzte Elisabeth, um sich umzusehen. Abgesehen von den Offizieren, die sich in von Rosens Nähe aufhielten, gingen die Soldaten auf Abstand.
»Was wollt Ihr?«, zischte die Hurenmutter.
»Wenn ihr weiter mit uns ziehen und unseren Schutz erhalten möchtet, verlange ich jeden dritten Teil. Eure Geschäfte laufen besser denn je und es ist nur recht, wenn sich mein Geldbeutel füllt.«
»Hat Eure Gier denn keine Grenzen?«, fiel ihm Rosi ins Wort.
»Ich bin noch nicht fertig«, grollte der Major. Sein Blick wanderte zu Bela. Verlangen und Lust vermischten sich mit sprühender Aggression. »Und ich will sie.«
Die beiden funkelten sich an.
»Geh hinter den Holzverschlag und lass dich versorgen«, wandte sich Rosi flüsternd an Bela und drehte sich anschließend zu dem Major.
»Auf keinen Fall. Ich sehe unsere ursprüngliche Abmachung immer noch als gültig an.«
Mit Tränen in den Augen rannte das Mädchen davon und warf seine Arme um Elisabeth.
»Ist ja gut«, hauchte diese, während Bela leise schluchzte. Elisabeth konnte den Blick nicht von den beiden Streitenden nehmen.
»Nun«, sagte der Major ruhig. »Wenn das so ist, könnte es sein, dass die Männer bald auf die Dienste deiner Huren verzichten müssen.«
Rosi nickte wissend. Ein schelmisches Grinsen umspielte ihre Lippen. »Was meint Ihr, würden Eure Soldaten dazu sagen? Wie viele Schlachten haben sie geschlagen? Unter wie vielen Feldherren haben sie gedient? Etliche wirken ausgemergelt, haben jahrelang ihre Heimat nicht mehr gesehen und sind kriegsmüde. Sie sehnen sich nach ein wenig Liebe und dem wärmenden Körper einer Frau. Wenn Ihr ihnen das nicht mehr bieten könnt, werter Major von Rosen, was meint Ihr, würden sie dazu sagen?«
»Einige würden meutern, andere die Armee verlassen«, ertönte plötzlich eine Stimme.
Die Köpfe der beiden fuhren herum. Elisabeth musste ihre Position verändern, damit sie sehen konnte, wer diese Worte sagte.
»Nochmals andere wiederum würden sich einfach holen, was sie brauchen«, fuhr der Mann fort. Seine Schritte waren gemächlich. Mit Mühe konnte Elisabeth den Soldaten ausmachen, der sich langsam näherte. »Es wäre ein heilloses Durcheinander, wenn die Soldaten in die Dörfer gehen und vielleicht nicht mehr wiederkommen.«
Endlich hatte der Mann die beiden Streitenden erreicht. Elisabeth kannte seine Stimme, seine schneidigen Bewegungen. Es war, als hätte es eine weitere schemenhafte Erinnerung an die Oberfläche ihres Verstandes geschafft, die noch ausformuliert werden wollte. Sie kannte diesen Mann … Doch woher?
»Natürlich, Hauptmann Falkensted«, sagte von Rosen voll Verachtung. »Ihr seid wieder einmal auf der Seite der Huren. Es kann allerdings nicht mehr lange dauern, bis Ihr in diesem Fall die Front wechselt. Schließlich seid Ihr dafür ja bekannt.«
Sein Name löste etwas in Elisabeth aus. Sie hatte ihn bereits einmal gehört, dessen war sie sich sicher.
Der Hauptmann zuckte mit den Schultern. »Vielleicht habt Ihr recht, verehrter Herr Major, aber auch die Hurenmutter spricht wahre Worte. Es wäre besser für die Moral der Truppe, wenn der Tross der Freudenmädchen bei uns bliebe.«
Der Major verschränkte die Arme vor der Brust und ließ ein düsteres Lachen ertönen. »Ihr beide gebt ein hübsches Paar ab. Vielleicht habt Ihr ja bald Gelegenheit, Euch im Tode näher zu sein.« Der Major machte einen Schritt auf Rosi zu. »Für diesen Moment belasse ich es bei unserer Abmachung. Ich will mein Geld pünktlich am Sonnabend und bringt Euren Mädchen Manieren bei, damit sie ihre Dienste ordentlich ausführen.« Dann drehte er sich zum Hauptmann
Weitere Kostenlose Bücher