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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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konnte man seine Beute versilbern oder beim Würfelspiel seinen Sold verlieren. Dahinter mussten die Offizierszelte liegen, zumindest wenn man den betrunkenen Soldaten Glauben schenken konnte, deren Gespräche sie zufällig mit angehört hatte. Und tatsächlich, nach einem gehörigen Marsch durch verschiedenste Kulturen, Sprachen und Stände ragten auf einer Kuppel weitaus größere Zelte auf. Elisabeth entdeckte eine einsame Gestalt, welche mit schneidigem Schritt den kleinen Hügel erklomm. Das musste Hauptmann Falkensted sein. Er näherte sich dem äußersten Zelt dieses Refugiums für Höhergestellte und verschwand im Inneren. Elisabeth beschleunigte ihren Schritt, doch eine raue, von Wut zerfressene Stimme in ihrem Rücken ließ sie innehalten.
    »Was bildet sich diese Hure eigentlich ein!«, schrie der Major, nur wenige Fuß hinter ihr. »Hat sie völlig ihren Verstand verloren?«
    Wie versteinert blieb sie stehen und zog die Decke tief in ihr Gesicht und über ihre Kleidung. Dann ging sie gebückt weiter und hoffte, niemand würde bemerken, dass sie einen Rock trug. Nur einen kurzen Seitenblick riskierte sie auf den Angst einflößenden Mann, ehe sie sich hinter einem Karren versteckte.
    »Ich sollte sie alle bei lebendigem Leibe verbrennen lassen«, polterte er weiter an seine Offiziere gewandt.
    »Fürwahr, das wäre eine Möglichkeit«, hörte sie die Stimme eines der Hessen, die ihn begleiteten. »Aber bedenkt, die Worte des Hauptmanns sind wahr. Sollten die Männer keine Huren haben, wird sich das auf ihre Gemütslage auswirken. Unzufriedene Soldaten sind schlechte Kämpfer.«
    »Glaubt Ihr, ich weiß das nicht, Leutnant Bayer?«, schrie der Major.
    Elisabeth beobachtete, wie er ihn am Kragen packte und zu sich zog. Obwohl dieser kein schlaksiger Mann war und beileibe nicht schwach, schwebte er einige Zoll über dem matschigen Boden und würgte fürchterlich. Der Major indes hatte keine Probleme, das Gewicht des Mannes zu stemmen.
    »Haltet Ihr mich für einen dummen Burschen, der das Handwerk des Krieges gerade erst erlernt? Natürlich ist mir bewusst, dass ich den Männern die Huren nicht einfach wegnehmen kann.« Mit diesen Worten ließ von Rosen den Leutnant fallen.
    Ächzend griff der sich an die Kehle und rang nach Luft. Es dauerte einige Zeit, bis er wieder auf den Beinen war. »Wie wäre es …«, stöhnte der Leutnant noch sichtlich angeschlagen, »… wenn wir andere Frauen rekrutieren?«
    Major von Rosen rieb sich nachdenklich über das Kinn.
    »Und mit rekrutieren meint Ihr …?«
    »Sie aus den umliegenden Dörfern entführen und den Soldaten zur Verfügung stellen«, erklärte der Leutnant. »Natürlich nicht hier in Neuß, das würde ihr nicht gefallen.«
    Ein verächtliches Lachen des Majors drang an Elisabeths Ohren. Lange schallte es durch die Nacht und war voll böser Kraft, sodass sie sich fest gegen den Wagen presste. »Ihr habt recht, Herr Leutnant, das würde der hochwohlgeborenen hessischen Landgräfin Amalia Elisabeth und ihrem Hund General von Eberstein beileibe nicht gefallen«, sagte er triefend vor Spott. »Nicht jetzt, da sie versucht, Frieden mit Kaiser Ferdinand zu schließen. Wenn dieser nicht zustande kommt, muss sie alles in ihrer Macht Stehende aufwenden, um Marschall Guébriant und unsere französischen Verbündeten gnädig zu stimmen. Sie braucht diese Stadt als Faustpfand, genau wie Kempen. Da unser Lager noch eine Weile hier stehen wird, sollten wir die Bewohner nicht vollends vergrämen.« Nachdenklich streifte sein Blick über die Zeltstadt unter ihm. Für einen Moment glaubte Elisabeth, er hätte sie entdeckt, dann wandte er sich wieder an den Offizier: »Bayer, Euer Vorschlag findet meine Zustimmung. Wenn wir aufbrechen, sollten wir uns in den umliegenden Dörfern Ersatz beschaffen. Gleichzeitig ergibt sich die Chance, dass ich diesen Verräter von Hauptmann loswerde. Es ist eine Schande, dass er ein so guter Kämpfer ist und die Männer ihn schätzen und achten.«
    Mit weitgreifenden, von Wut befeuerten Schritten stapfte der Major auf eine Anordnung von Tischen zu, die in der Mitte des Hügels aufgestellt waren. »Leutnant, holt mir die Karten, wir wollen sehen, wo wir unsere Frauen herbekommen.« Er sprach leise und klopfte Bayer auf die Schulter. Elisabeth hatte Probleme die Worte zu verstehen; kaum hörbar drangen sie an ihre Ohren. »Und wenn diese Missgeburt von Hauptmann weg ist, werde ich Euch bei Eberstein für Falkensteds Posten vorschlagen.«
    Einige

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