Die Donovans 3: Das geheime Amulett
unmöglich – er fühlte die Erregung wieder in sich aufsteigen. „Wirklich? Was für Fantasien sind das denn?“
„Ich stelle mir vor, wie er zu mir kommt.“ Ihr Atem ging schneller, als sein Mund ihre Schulter erkundete. „Wie er an mein Bett tritt, wie ein Nachtalb, wenn der Sturm durch die Nacht fegt. Ich sehe seine Augen, leuchtendes Kobaltblau, wie der Blitz, der das Dunkel durchschneidet, und ich weiß, dass er nach mir verlangt, wie noch nie jemand nach mir verlangt hat und nie jemand nach mir verlangen wird.“
Wohl wissend, dass sie hier auf den Treppen bleiben würden, wenn er nicht sofort etwas unternahm, hob er sie hoch. „Mit Blitzen kann ich dir nicht dienen.“
Sie lächelte strahlend, als er sie nach oben trug. „Aber das hast du doch schon.“
Stunden später saßen sie auf dem zerwühlten Bett und aßen Pizza bei Kerzenlicht. Ana hatte jegliches Zeitgefühl verloren. War es Mitternacht oder zog der neue Morgen schon herauf? Sie hatten sich geliebt und geredet und gelacht und sich wieder geliebt. Keine andere Nacht in ihrem Leben war bisher so perfekt gewesen. Was kümmerte sie da die Zeit?
„Ginevra war keine Heldin.“ Ana leckte sich Tomatensauce von den Fingern. Sie hatten über epische Poesie, moderne Zeichentrickfilme, alte Legenden und klassische Horrorgeschichten geredet. Wie sie zu Artus und Camelot zurückgekehrt waren, konnte sie nicht mehr nachvollziehen, aber was Artus’ Königin anbetraf, rückte Ana keinen Millimeter von ihrem Standpunkt ab. „Und schon gar keine tragische.“
„Sollte eine Frau, vor allem eine mit deinem großen Mitgefühl, nicht mehr Verständnis für ihre Lage aufbringen?“ Boone stritt mit sich, ob er das letzte Stück Pizza aus der Schachtel nehmen sollte oder nicht.
„Wieso denn?“ Ana kam ihm zuvor und fütterte ihn. „Sie hat ihren Mann betrogen und das Königreich zu Fall gebracht, und das alles nur, weil sie schwach und ichbezogen war.“
„Sie war verliebt.“
„Liebe ist keine Entschuldigung für alle Handlungen.“ Amüsiert legte sie den Kopf schief und betrachtete ihn in dem flackernden Licht. Er wirkte wunderbar männlich in Trainingsshorts, mit dem wirren Haar und dem ersten dunklen Schatten auf dem Kinn. „Das ist wieder mal typisch Mann.
Ausreden für die Untreue einer Frau zu finden, nur weil das angeblich unter Romantik fällt.“
Es war nicht direkt eine Beleidigung, aber er wand sich. „Ich meine nur, sie hatte einfach keine Kontrolle über die Situation.“
„Aber natürlich. Sie hatte die Wahl, und sie hat die falsche getroffen.
Genau wie Lancelot. Dieses ganze pompöse Getue mit Galanterie und Ritter- und Heldentum und Treue. Und dann gehen die beiden hin und betrügen ausgerechnet den Mann, der sie beide liebt, weil sie sich angeblich nicht beherrschen können?“ Sie warf ihr Haar zurück. „Das ist ausgemachter Blödsinn. Du kannst nicht wirklich dieser Ansicht sein.“
Er lachte und nippte an seinem Wein. „Du erstaunst mich immer wieder.
Da denke ich, du bist eine unverbesserliche Romantikerin, eine Frau, die im Mondschein Blumen pflückt und überall Feen- und Elfenstatuen herumstehen hat, und dann verurteilst du die arme Ginevra, weil sie sich in den falschen Mann verliebt.“
„Arme Ginevra?“, brauste Ana empört auf, doch Boone wehrte lachend ab.
„Moment!“ Er amüsierte sich prächtig. Ihnen beiden machte es anscheinend nichts aus, dass sie sich über fiktive Charaktere stritten. „Wie war das denn mit den anderen? Merlin sollte doch aufpassen. Warum ist er dann nicht eingeschritten?“
Geflissentlich wischte sie sich ein paar Krümel vom Bein. „Es liegt nicht in der Hand eines Zauberers, sich in den Lauf des Schicksals einzumischen.“
„Komm schon, wir reden hier über den Zauberer überhaupt. Ein kleiner Spruch, und er hätte alles in Ordnung gebracht.“
„Und damit unzählige Lebensläufe verändert“, argumentierte sie. „Nein, er konnte es nicht tun, nicht einmal für Artus. Alle, ganz gleich, ob Zauberer, Könige, Sterbliche, sind verantwortlich für ihr eigenes Los.“
„Er hatte aber keine Skrupel, Ehebruch zu unterstützen, als er Uther als Duke of Cornwall nach Tintagel schickte, damit Ygraine überhaupt empfangen konnte.“
„Weil das Schicksal war“, sagte sie geduldig, so wie sie mit Jessie sprechen würde. „Das war ja das Ziel. Bei aller Macht, die Merlin besaß, bei aller Größe – die wichtigste Tat, die er mit seiner Magie vollbracht hat, war, Artus
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