Die Donovans 3: Das geheime Amulett
Entzückt drehte Ana sich einmal um die eigene Achse.
„Hier arbeitest du also.“
Große Fenster ohne Vorhänge, mit Rahmen aus warmem Kirschholz, ein paar ausgebleichte Läufer auf dem Boden aus Holzbohlen. Sterne blinkten zu den beiden Oberlichtern herein. Ein hochmoderner Computer, Papier und volle Bücherregale wiesen diesen Raum als Arbeitsplatz aus. Doch Boone hatte charmante Akzente gesetzt. Gerahmte Illustrationen und eine Sammlung von Drachen und Ritterfiguren. Die geflügelte Fee, die er in Morganas Laden erstanden hatte, hatte einen Ehrenplatz auf einem geschnitzten Hocker.
„Du brauchst noch ein paar Pflanzen“, entschied sie sofort und dachte an die Narzissen und Osterglocken, die sie in ihrem Gewächshaus zog.
„Wahrscheinlich verbringst du mehrere Stunden am Tag in diesem Raum.“
Sie sah auf den leeren Aschenbecher neben der Tastatur.
Er war ihrem Blick mit gerunzelter Stirn gefolgt. Seltsam, dachte er, seit Tagen hatte er keine Zigarette mehr geraucht, hatte sie praktisch völlig vergessen. Er würde sich später dafür gratulieren.
„Manchmal sehe ich aus dem Fenster, wenn du im Garten bist. Dann fällt mir das Konzentrieren schwer, und die Arbeit rückt in weite Ferne.“
Sie lachte und setzte sich auf eine Schreibtischecke. „Wir werden dir Jalousien besorgen.“
„Kommt gar nicht infrage.“ Er lächelte, aber nervös steckte er die Hände in die Taschen. „Ana, ich muss dir von Alice erzählen. Ich hoffe, dass es der richtige Zeitpunkt ist und ich die richtigen Worte finde.“
„Boone.“ Mitgefühl veranlasste sie, sich wieder zu erheben und ihn zu berühren. „Ich verstehe auch so. Es ist nicht nötig für mich, dass du es mir erklärst.“
„Aber für mich.“ Ihre Hand in seiner, drehte er sich und deutete auf eine Zeichnung an der Wand. Ein schönes junges Mädchen kniete neben einem Bach, schöpfte mit einem goldenen Eimer von dem klaren Wasser. „Sie hat das gemalt, bevor Jessie geboren wurde. Sie hat es mir an unserem ersten Jahrestag geschenkt.“
„Es ist wunderschön. Sie war sehr talentiert.“
„Ja, sehr talentiert und etwas ganz Besonderes.“ Er nippte an seinem Wein und brachte einen stummen Toast auf eine verlorene Liebe aus. „Ich kannte sie den größten Teil meines Lebens. Die hübsche Alice Reeder.“
Er muss reden, dachte Ana. Also würde sie zuhören. „Habt ihr euch auf der Schule ineinander verliebt?“
„Nein.“ Die Vorstellung brachte ihn zum Lachen. „Wir kannten uns nicht einmal. Alice war Cheerleader, Schulsprecherin und überhaupt das netteste Mädchen, das immer alle Ehrenwürden einheimste. Wir hingen mit ganz verschiedenen Cliquen zusammen, und sie war zwei Klassen tiefer als ich.
Ich durchlief gerade die obligatorische Rebellionsphase, war gegen alles und jeden, lungerte auf den Gängen herum und versuchte, so cool wie möglich zu wirken.“
Ana lächelte. „Das hätte ich zu gern gesehen.“
„Ich rauchte unerlaubterweise auf der Toilette, Alice malte die Bühnendekoration für die Theatergruppe. Wir kannten uns vom Sehen, mehr nicht. Ich ging aufs College, landete schließlich in New York. Damals schien es mir unerlässlich, da ich ja schreiben wollte, in einem Loft zu wohnen und am Hungertuch zu nagen.“
Sie legte einen Arm um seine Hüfte, wartete instinktiv ab, bis er die richtigen Worte gefunden hatte.
„Eines Morgens ging ich zu der kleinen Bäckerei in unserer Nachbarschaft, und da stand sie, an einem der Bistro-Tische, bestellte sich Kaffee und ein Croissant. Wir unterhielten uns … du weißt schon: ‚Was machst du denn hier?‘ Wie es den anderen ergangen ist, wo sie jetzt sind, was zu Hause so passiert ist, solche Sachen eben. Es war schön, beruhigend und aufregend zugleich. Zwei junge Leute aus der Kleinstadt, die es mit dem großen Moloch New York aufnehmen wollten.“
Das Schicksal hat sie zusammengeführt, dachte Ana, in einer Millionenstadt.
„Sie studierte Kunst“, erzählte Boone weiter, „und teilte sich eine Wohnung mit zwei anderen Mädchen, nur ein paar Straßen von meiner Wohnung entfernt. Ich brachte sie zur U-Bahn. Und dann sind wir irgendwie aufeinander zugedriftet. Wir gingen zusammen in den Park, verglichen Zeichnungen, konnten stundenlang miteinander reden. Alice war so voller Leben, so voller Energie und Ideen. Wir haben uns nicht Hals über Kopf ineinander verliebt, sind eher langsam hineingerutscht, Stück für Stück.“
Seine Augen wurden sanft, als er die Zeichnung
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