Die Doppelgängerin
Bärbel!“ riefen die beiden wie
aus einem Mund.
5. Die Zeitansage in Rom
Es war später Nachmittag.
Die Glaserei, ein kleiner Betrieb, lag
in einem heruntergekommenen Viertel. Die Fassaden der Häuser brauchten dringend
einen Anstrich oder neuen Verputz. Mauern zerbröckelten. Die Geschäfte der
Handwerksbetriebe gingen schlecht.
Toni Ehrlich ging wartend neben Ottmar
Paulsens Leichtmotorrad auf und ab. Sie waren mit der Maschine gekommen. Aber
der Rückweg — das wußte er — würde sich schwieriger gestalten.
Toni rauchte seine Zigarette, bis er
sich am Stummel fast die Finger verbrannte. Den Rest schnippte er in Richtung
eines Sperlings, der im Sand badete.
Ottmar Paulsen kam aus der Glaserei.
Auf seinem Hackfleischgesicht lag ein fettes Grinsen.
Unter dem Arm trug er eine
Fensterscheibe, deren Ränder zur besseren Griffigkeit mit rauher Pappe umklebt
waren. Die Scheibe hatte ungefähr das Format ½ m x 1 m.
„Hat sie mir zurechtgeschnitten“, sagte
er an seinem Kaugummi vorbei. „Auf den Zentimeter genau. Wir liefern Maßarbeit,
was? Wie es sich gehört, hahaha!“
„Ist das der Kitt?“ Toni deutete auf
den kleinen Behälter, den Ottmar in der anderen Hand hielt.
„Der Kitt! Und hier die kackbraune
Farbe.“
Mit dem Ellbogen klopfte er auf eine
dicke Tube, die aus seiner Jackentasche hervorguckte.
Toni grätschte auf den Rücksitz des
Motorrades und übernahm vorsichtig die Scheibe.
„Vorsicht!“ warnte Ottmar.
„Dachtest du, ich nehme sie als
Frisbee-Scheibe?“
„Hähähähahaha!“ lachte Ottmar.
Er hängte den Kittbehälter links an den
Lenker und stieg in den Sattel.
„War schon eine tolle Idee von deinem
Alten!“ sagte Toni. „Der hat was drauf, dein Alter! Also, Klasse! Hat den Fall
richtig eingeschätzt. Für ihr Bärbelchen tun die reichen Zonkers alles. Damit
sie sich reinwaschen kann, greifen die tief in die Tasche.“
„Tief!“ nickte Ottmar. „Denn billig
sind wir nicht.“
Er startete seinen Feuerstuhl, als
ginge es gleich auf den Nürburgring (Rennstrecke in der Eifel). Doch sie
hatten ein anderes Ziel.
Nach kurzer Fahrt tuckerten sie mit
wenig Gas durch den Sandweg, an dem Fräulein Dettls Häuschen stand.
Auch zu dieser Stunde war hier der Hund
verfroren. Stille. Einige geparkte Autos. Weit voraus ein bellender Hund
unbestimmbarer Rasse. Zu sehen war niemand.
Sie hielten bei einer dichten Hecke,
ließen das Motorrad zurück und gingen zu Fräulein Dettls Grundstück.
Mit raschem Blick überzeugten sie sich,
daß sie unbeobachtet waren. Sie schlüpften durchs Gartentor und verschwanden
hinter dem Backsteinhäuschen, wo sie vorhin schon gewesen waren, um die Maße
der Fensterscheibe zu ermitteln.
Die Rückfront konnte man von nirgendwo
einsehen. Die wuchernden Büsche bildeten einen halbkreisförmigen Wall.
Aufatmend legte Toni die Scheibe auf
den Boden. „Uff! Hier sieht uns kein Aas. Aber leise müssen wir sein.“
Ottmar grinste. Er hatte eine kleine
Leinentasche mitgebracht. Ihr entnahm er einen Glasschneider. Dann trat er zu
dem Fenster, hinter dem ein geblümter Vorhang hing.
Er pappte ein Klebeband an die Scheibe,
führte den Glasschneider genau am Rahmen entlang und schnitt die Scheibe heraus.
Mit dem Klebeband verhinderte er, daß sie ins Haus fiel.
„Gekonnt!“ meinte Toni anerkennend. „Das
machst du nicht zum ersten Mal, wie?“
Ottmar lachte. „Es kann nie schaden,
wenn man technisch auf Zack ist.“
Er zog an dem Klebeband, fing die
Scheibe auf und legte sie ins Gras.
Toni öffnete die Fensterverriegelung
und der leere Rahmen schwang auf. Er stieg hinein, teilte den geblümten Vorhang
und landete in einem kleinen Wohnraum.
Ottmar folgte ihm.
„Gemütlich!“ sagte Toni. „Die alte
Zimtzicke hat Stil.“ Er meinte Fräulein Dettl.
„Mich würden diese Stachelgurken
stören.“
Ottmar deutete zu dem großen
Blumenfenster, wo etwa zwei Dutzend unterschiedlicher Kakteen gediehen.
Außerdem rankte sich wilder Wein, von langen Stöcken gestützt, an der Scheibe
empor.
Die beiden Einbrecher rührten nichts
an.
Toni zog den Zettel aus der Tasche, auf
dem er die Telefonnummer — samt Vorwahl — notiert hatte.
Das Telefon stand auf einem Regal an
der Wand, unmittelbar neben dem Fernsehapparat.
„Verwähl dich nicht“, meinte Ottmar. „Du
weißt also genau: das ist die Zeitansage in Rom.“
„Ja! Außerdem werden wir das gleich
hören.“
„Ich kann kein Italienisch.“
„Ich auch nicht. Außer ,Buon
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