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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Schokoladenkrümel. Ich geb’s auf.“
    Aber das tat er dann doch nicht.
Vielmehr probierte er es mit Engelsgeduld zum vierten Mal. Dann durfte Klößchen
bei ihm abschreiben.
    Plötzlich ertönte aus dem Lautsprecher
die Stimme des EvD (Erziehers vom Dienst): „Peter Carsten, zum Telefon!“
    Tarzan stand auf.
    „Uiiih!“ machte Klößchen. „Wer mag das
denn sein?“
    Der aufsichtführende Lehrer hob den Kopf
aus seiner Zeitung und nickte Tarzan zu. Kannst gehen! hieß das.
    Tarzan marschierte zur Besenkammer — wie
die Telefonzelle im Flur des Haupthauses genannt wurde — , weil
Schülergespräche vom EvD-Zimmer oder dem Sekretariat immer dorthin gelegt
wurden.
    Der Apparat bimmelte, als er die Tür
öffnete, sich in stickige Enge zwängte und den Hörer ans Ohr nahm.
    „Peter Carsten!“
    „Endlich!“ sagte sein Freund Karl, der
Computer. „Ich störe dich doch nicht etwa bei den Hausaufgaben. Das würde ich
mir nie verzeihen.“
    „Hauptsache, ich verzeihe dir“, lachte
Tarzan. „An welcher Ecke brennt’s denn? Oder willst du nur ein bißchen
Konversation machen (plaudern), weil du dich langweilst.“
    „Ein heller Kopf wie ich langweilt sich
nie — das ist die Krankheit der Dummen. Gaby, Inge und Bärbel sind bei mir. Ich
brauche unbedingt Verstärkung. Drei Mädchen und ich — da nützt es auch nichts,
daß ich Heimvorteil habe. Ich meine, daß sie in meiner Bude rumsitzen,
schnatternd und aufgeregt wie Gänse im Gewitter und... Auuuuhhh!“
    Der Schmerzensschrei verklang. Dann
sagte Karl: „Das war Gaby. Sie hat mir ihre Limoflasche ans Schienbein gehauen.
Tarzan, du und Klößchen — ihr seid hier gefragt. Wir sitzen auf einem
unglaublichen Problem. Ein TKKG-Fall, bei dem es dir die Fußnägel aufbiegt.“
    „Müßte ich mir mal wieder schneiden“,
murmelte Tarzan.
    „Wie?“
    „Mir fiel nur ein, ich müßte mal wieder
Pediküre betreiben (Fußnagelpflege), sonst brauche ich bald eine größere
Schuhnummer. Gut, wir kommen. Das heißt, wir verzichten auf das nahrhafte
Heimschülerabendessen. Hoffentlich macht Willi nicht schlapp.“
    „Sag ihm, daß er von meiner Mutti
verpflegt wird“, lachte Karl.
    Nach beendetem Gespräch erwirkte Tarzan
beim EvD für sich und Klößchen Ausgangserlaubnis bis zum Zapfenstreich. Es
wurde gnädigst gewährt.
    Die Arbeitsstunde war beendet.
    Sie holten ihre Drahtesel aus dem
Fahrradkeller und fuhren zur Stadt.
    Karl, der Computer, wohnte in der
Lindenhof-Allee, wo seine Eltern vor nicht allzulanger Zeit eine alte Villa
gekauft hatten. Sie sah verwunschen aus wie ein altes Schloß. Um Mitternacht
knarrten die Treppen besonders laut; und Karl wußte noch immer nicht genau, ob
er nicht doch mit einigen - gutmütigen — Gespenstern unter einem Dach lebte.
    Jetzt freilich saß er mit den drei
Mädchen in seinem mustergültig unordentlichen Zimmer auf dem Boden, und der
große Berg belegter Brote war bereits zu einem kleinen Hügel geschrumpft.
    „Und ich?“
    Fassungslos starrte Klößchen, der — zusammen
mit Tarzan — eben hereingekommen war, auf die fast leere Servierplatte.
    „Das reicht ja nicht mal für Tarzan.“
    Karl lachte. „Meine Mutti bringt gleich
Nachschub. Als sie hörte, daß du kommst, hat sie den Zubringerdienst der
Fressaliengroßhandlung verständigt. Die haben alles, was sie noch hatten, mit
dem Lastwagen hergebracht.“
    „Hoffentlich auch Schokolade“, meinte
Klößchen.
    Er setzte sich zwischen Gaby und
Bärbel, aber dichter zu Gaby.
    Tarzan unterdrückte ein Grinsen, als er
feststellte: Willi schielte schon wieder.
    Mit seinem ausgeprägten Instinkt für
bevorstehende Abenteuer spürte Tarzan: was Besonderes lag in der Luft.
    Karl machte sein gescheitestes Gesicht
und polierte schon zum dritten Mal die Gläser der Nickelbrille.
    Gaby preßte fest die zarten Lippen
aufeinander, um ihr Mitteilungsbedürfnis zu zügeln. Aber in ihren Blauaugen blitzten
interessante Nachrichten wie Leuchtschrift.
    Bärbel hatte Blick und Gedanken nach
innen gelenkt, starrte lächelnd auf ihre spitzen Knie unter dem Jeansstoff und
schien sich seit einer Stunde zu wundern.
    Inge saß im Schneidersitz. Sie hielt
sich kerzengerade wie ein Yogi (Anhänger der indischen Entspannungslehre). Ihre Hände ruhten mit aufwärts gedrehten Handflächen auf den Knien. Die Augen
hatte sie geschlossen. Auf den ersten Blick schien sie locker zu sein. Darum
bemühte sie sich jedenfalls. Doch an ihrem schlanken Hals — wie Tarzan sah — hämmerte
das Blut in

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