Die Doppelgängerin
schmerzlich
es auch ist — wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen.“
Mehr hörte Tarzan nicht. Die Mädchen
waren oben an der Treppe stehengeblieben. Rasch holte er sie ein.
Bärbel hatte verheulte Augen. Sie
schnüffelte.
„Nie wieder gieße ich für irgendwen die
Kakteen!“ schluchzte sie. „Hinterher ist man dann der Verbrecher.“
O weh! dachte Tarzan. Ich ahne. Mit der
Dettl muß es was zu tun haben. Deren besorgte Schwester hat sich in das
Backsteinhäuschen einquartiert und... Ja, was hat sie entdeckt? Einen Diebstahl,
natürlich. Und Bärbel soll’s gewesen sein? Das gibt’s doch nicht!
Bärbels Zimmer war ein Jungmädchentraum
auf der östlichen Hausseite.
Tarzan bestaunte drei Dutzend
kostbarster Puppen und Stofftiere sowie Musikinstrumente, einen großen
Fernsehapparat, eine Super-Hi-Fi-Anlage, poppige Schleiflackmöbel und einen
knöcheltiefen weißen Teppich von Wand zu Wand.
„Du müßtest mal unser Adlernest sehen“,
sagte er zu Bärbel, nachdem er alles betrachtet hatte. „Jetzt begreife ich, daß
unser Unterricht unheimlich gut sein muß. Daher der tolle Ruf als Schule mit
höchsten Ansprüchen. An der Einrichtung kann’s nämlich nicht liegen. Daß jeder
Schüler sein eigenes Bett hat, gilt bereits als Komfort.“
Aber die Mädchen lachten nicht. Sie
hatten sich trübselig auf den Teppich gehockt, wo auch Tarzan Platz nahm.
„Wie war’s bei euch?“ fragte Bärbel.
„Wir haben die Marken“, antwortete
Inge. „Tarzan hat alles gemacht. Ich bin happy. Aber das erzähle ich dir
später. Wieso bist du jetzt der Verbrecher? Was ist passiert?“
„Am schlimmsten ist“, schluchzte
Bärbel, „daß auch meine Eltern mir nicht glauben. Nur weil ich neulich wegen
der verhauenen Englischarbeit gelogen habe. Jetzt denken sie, ich lüge nur
noch.
„Am besten, du fängst von vorn an“,
sagte Tarzan. „Was war los bei der Dettl?“
Erstaunt sah sie ihn an. „Woher weißt
du, daß es mit der Dettl zu tun hat?“
„Das wurde eben von dir angedeutet, als
du mit bezwingender Logik deine Wut auf unschuldige Kakteen gerichtet hast, die
in Zukunft dürsten sollen.“
Jetzt lächelte Bärbel. „Na ja! die
armen Pflanzen können nichts dafür. Aber...“ Sie schneuzte sich, ehe sie
fortfuhr: „...ich kapiere es ja selber noch nicht.“
Inge und Tarzan warteten gespannt.
„Als ich bei der Dettl wegging“, sagte
Bärbel, „war alles in bester Ordnung. Ich hatte die Kakteen gegossen und
ansonsten nichts angerührt. Ich hatte auch sorgfältig abgeschlossen, und die
Fenster waren ohnehin alle verrammelt. Wie ihr wißt, habe ich den Schlüssel dann
im Krankenhaus abgeliefert. Am frühen Abend ist aber Fräulein Siglinde Dettl,
die Schwester meiner Lehrerin, in das Häuschen gegangen. Dort lag der
Telefonhörer neben dem Apparat. Die Leitung war offen. Gesprächsteilnehmer am
anderen Ende der Strippe war — haltet euch fest! — die Zeitansage in Rom.
Siglinde Dettl kann italienisch. Sie hat’s sofort mitgekriegt. Die telefonische
Verbindung bestand offensichtlich schon seit — na, eben seit ich in dem Haus
gewesen bin! Und ihr wißt sicherlich, was das pro Minute kostet. Da ist jetzt
schon eine schöne Latte zusammengekommen.“
„Und du hast nicht telefoniert?“ fragte
Inge verblüfft.
„Nein! Sage ich doch! Nicht mit der
Fingerspitze habe ich das Telefon angerührt. Nicht mal angesehen habe ich’s.
Ich weiß gar nicht, wo es steht.“
„Erzähl weiter!“ drängte Tarzan.
„Siglinde Dettl hat sofort Fenster und
Türen überprüft. Aber alles wäre fest verschlossen gewesen. Damit stand für sie
fest: Nur ich kann das gewesen sein. Ich hätte mich auf diese gemeine Weise für
— was-weiß-ich — rächen wollen. An ihrer Schwester! Und meine Absicht sei es
gewesen, mir abermals Zutritt in das Häuschen zu verschaffen. Indem ich
wiederum die Kakteen versorge. Oder vorgebe, ich hätte etwas vergessen.
Natürlich hätte ich das erst in einigen Tagen getan — wenn die Telefonrechnung
meiner Lehrerin bereits ins Riesenhafte gestiegen ist. Dann hätte ich den Hörer
aufgelegt. Und wer hätte mir was anlasten können?“
In die Stille nach ihren Worten sagte
Tarzan: „Theoretisch funktioniert das durchaus. Aber du warst es nicht. Also
muß es eine andere Erklärung geben. Hat sich Siglinde Dettl gleich an deine
Eltern gewandt?“
„Nein! Das ist ja das Schlimme. Sie
wollte auch ihre Schwester nicht damit behelligen, weil die morgen operiert
wird. Siglinde Dettl hat die
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